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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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durchhalten könnte, was sie sich vorgenommen, das Gesetz gegen ›mißbräuchliche Anwendung‹ von Z-Implantaten seine volle Berechtigung hatte. Um das Z-Implantat wirklich effektiv für sich einsetzen zu können, hätte sie über etwas verfügen müssen, das an Hellsichtigkeit grenzte, eine Art von Kristallkugel. Allerdings hatte das Kontrollgerät auch einen Zeitschalter, der ihr nützlich sein mochte. Einmal angenommen jedoch, sie gönnte ihrem Körper die Erholung, nach der er lechzte. Woher sollte sie wissen, wie lange sie ungefährdet schlafen durfte? Oder einmal unterstellt, sie verscheuchte ihre Müdigkeit – in der Absicht, eine Phase hoher G-Belastung durchzustehen, ohne in Irrsinn zu verfallen – und aktivierte all ihre Kraftreserven. Wodurch sollte sie darüber Klarheit haben, wieviel Kraft sie brauchte, wie lange ihr Körper die Anspannung vertrug? Oder noch grundsätzlicher: Wie sollte sie wissen, welche Zentren ihres Gehirns mit dem Hyperspatium-Syndrom zusammenhingen, welche Bereiche ihrer selbst sie dämpfen mußte, um gegen den Zustand geistig anomalen Gleichmuts vorzubeugen, in dem das Universum zu ihr sprach und ihr einflüsterte, was sie zu vernichten hatte?
    Bei jedem Schritt ihres Erkundungswegs mußte sie sich auf Vermutungen stützen. Jeder Irrtum, jede Fehlberechnung, jedes Mißgeschick konnte ihr Geheimnis Nick enthüllen.
    Doch die Problematik saß noch tiefer. Die Mißhandlungen durch Angus hatten sie, obwohl er ihr zwischendurch regelmäßig Gelegenheit zum Ausruhen einräumte, halb verrückt gemacht und vollkommen ausgelaugt. Inwiefern konnte sie sicher sein, daß Verrücktheit und Erschöpfung beim Gebrauch eines Z-Implantats nicht als zwangsläufige Begleiterscheinungen auftraten? Wie könnte sie die Gewißheit haben, daß ihre Bemühungen, sich zu schützen, nicht erst recht ihr Verhängnis anbahnten?
    Diese Gewißheit gab es für sie nicht. Um zur Abklärung so diffiziler Fragen zielgerecht an sich herumpfuschen zu können, mangelte es ihr ganz einfach an Fachwissen.
    Andererseits war sie gerade deshalb jetzt hier, weil Angus sie halb zur Verrücktheit getrieben hatte. Sie sah keinen Ausweg, der nicht auch mit Wahnsinn verknüpft gewesen wäre.
    Ein dumpfer Stoß dröhnte durch den Raumschiffsrumpf – der fürs Ablegen charakteristische Ruck. Jeder an Bord merkte es, wenn die Kabel und Verankerungen sich lösten.
    Morns Frist lief ab.
    Indem die Käptens Liebchen von der Station ablegte, verschwand die Schwerkraft. Infolge Morns unwillkürlicher Kontraktion der Muskeln, mit der sie auf die plötzliche Eigenbewegung des Raumschiffs reagierte, hatte zum Ergebnis, daß sie in die Höhe schwebte.
    Aber schon wenige Sekunden später zirpte aus dem Interkom eine Warnung, und die Diensthabenden auf der Brücke setzten die Rotation in Gang, die bordinterne Gravitation produzierte. Die Koje drehte sich in ihrer Aufhängung in eine andere Lage. Morn sank auf die neue Horizontale hinab.
    Mit derartigen Manövern kannte sie sich aus. Statt beunruhigt zu sein, war sie vielmehr darüber froh, daß Nick so rasch auf bordinterne Schwerkraft umgeschaltet hatte. Die meisten Kapitäne flogen nach dem Ablegen erst einmal eine beachtliche Strecke – um sich davon zu überzeugen, daß sie komplett losgemacht hatten und um ihre Erinnerung an das Erlebnis der Nullschwerkraft aufzufrischen –, bevor sie sich wieder den Trägheitsgesetzen der Eigenrotation und ihrer Lahmheit unterwarfen.
    Grimmig drückte Morn eine andere Taste.
    Die falsche, eine falsche Taste: Diesmal verursachte sie sich Schmerz, die gesamte Oberfläche ihrer Haut schien in Flammen zu stehen. Angus hatte ihr erzählt, ihr Vater sei, als sie das Pulsator-Triebwerk der Stellar Regent sprengte, vom Explosionsblitz geblendet worden. So mochte sich danach sein Gesicht angefühlt haben, nichts als Brennen und Qual, jeder Nerv mußte unerträglich wund gewesen sein.
    Morns Muskulatur zuckte in Spasmen glutheißer Pein und grausamer Erinnerung. Wirr tippte sie auf das Kontrollgerät, versuchte die AUS-Taste zu treffen.
    Sie verfehlte sie. Statt dessen drückte sie die Taste, die sie schon erprobt hatte, die Funktion, die Seligkeit auslöste.
    Das Ergebnis verdutzte sie. Augenblicklich vollzog sich in ihr eine Veränderung.
    Die Wirkung hatte etwas von Magie an sich, ähnelte einer Art neuraler Alchemie. Aus grenzenlosen Beschwerden wechselte sie über in ein Befinden, dessen sie dringlicher bedurfte als bloßer Kräfteerneuerung, eine
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