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Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin

Titel: Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Autoren: Elizabeth Peters
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Fähigkeiten seines Sohnes, kann es aber nicht ausstehen, wenn Ramses ihm sein Wissen unter die Nase reibt.
    Ich wollte schon aufstehen und zu ihnen hinübergehen, als die Musik wieder einsetzte und Emerson – der nun noch finsterer dreinblickte – die jungen Leute wegschickte. Sobald Nefret sich umdrehte, wurde sie schon von einigen jungen Herren umringt. Doch Ramses nahm sie beim Arm und führte sie – oder besser: zerrte sie – auf die Tanzfläche. Die Herren trollten sich verlegen, alle bis auf einen, ein hochgewachsener, schlanker Bursche mit blondem Haar. Er verharrte reglos, zog die eine Augenbraue hoch und folgte Nefret mit einem kühlen, abschätzenden Blick.
    Obgleich Ramses’ Manieren einiges zu wünschen übrig ließen, war ich mit seinem Handeln voll und ganz einverstanden. Das hübsche Gesicht und die zierliche Figur des Mädchens zog Männer an wie eine Rose die Bienen, aber für einen Verehrer war sie noch viel zu jung – was vor allem für den blonden Gentleman galt. Ich hatte ihn zwar noch nicht kennengelernt, aber eine Menge von ihm gehört. Die ehrbaren Damen aus Kairos Europäerkreisen wußten über Sir Edward Washington so manches zu berichten. Er stammte aus einer angesehenen Familie in Northamptonshire, war jedoch der Zweitgeborene mit wenig Aussichten auf eine Erbschaft und hatte eine fatale Wirkung auf leichtgläubige junge Frauen (und auf ältere).
    Die verführerischen Klänge eines Walzers von Strauß schwebten durch den Raum, und ich blickte lächelnd zu Graf Stradivarius auf, der sich mir in der eindeutigen Absicht näherte, mich zum Tanzen aufzufordern. Er war ein kahlköpfiger, würdevoller Mann und nicht viel größer als ich – aber ich tanze nun einmal für mein Leben gern Walzer. Ich wollte schon die ausgestreckte Hand des Grafen ergreifen, als dieser plötzlich von einer anderen Gestalt verdeckt wurde, die mir nun ihrerseits den Arm bot.
    »Gibst du mir die Ehre, Peabody?« fragte Emerson.
    Es mußte Emerson sein, denn niemand sonst nennt mich so liebevoll beim Mädchennamen, doch einen Moment lang glaubte ich zu träumen – denn Emerson tanzt nicht. Schon oft hatte er mit der für ihn typischen Vehemenz geäußert, daß er das Tanzen für einen sinnlosen Zeitvertreib hielt.
    Er machte einen ziemlich merkwürdigen Eindruck. Unter seiner Sonnenbräune breitete sich eine geisterhafte Blässe aus. Die saphirblauen Augen waren glanzlos, und er hielt die Lippen eng zusammengepreßt. Das dichte, schwarze Haar war zerzaust, die breiten Schultern hatte er hochgezogen, als rechne er mit einem Schlag. Er wirkte … er wirkte verängstigt. Das war bei Emerson, der sich vor nichts und niemandem fürchtet, sehr ungewöhnlich!
    Wie hypnotisiert starrte ich ihm in die Augen und entdeckte, daß ein Funke in ihnen aufblitzte. Ich kannte diesen Funken: Er deutete auf einen Wutanfall hin, einen von Emersons berühmten Wutanfällen, die ihm bei seinen treu ergebenen ägyptischen Arbeitern den Namen »Vater der Flüche« eingebracht haben. Dann nahm sein Gesicht wieder eine dunklere Färbung an, und die Spalte in seinem markanten Kinn zitterte bedenklich.
    »Mach den Mund auf, Peabody!« zischte er. »Sitz nicht da wie ein Kaninchen vor der Schlange. Gibst du mir jetzt die Ehre, verdammt?«
    Obwohl es mir, wie ich glaube, nicht an Mut fehlt, kostete es mich große Überwindung einzuwilligen. Ich ging nämlich nicht davon aus, daß Emerson vom Walzertanzen auch nur den leisesten Schimmer hatte. Es hätte zu ihm gepaßt zu glauben, daß er eine Sache beherrschte, nur, weil er sich diese Überzeugung in den Kopf gesetzt hatte. Unterricht oder Übung benötigt er nicht. Allerdings ließ mich sein bleiches Gesicht jetzt vermuten, daß er mindestens ebenso große Angst hatte wie ich, und so siegte die Liebe über die Sorge um meine Zehen und meine zarten Abendschühchen. Ich legte meine Hand in seine schwielige Pranke.
    »Danke, mein Lieber.«
    »Oh«, sagte Emerson. »Du willst tatsächlich?«
    »Ja, mein Liebling.«
    Emerson holte tief Luft, warf sich in Positur und packte mich.
    Die ersten Momente waren ziemlich schmerzhaft, besonders für meine Füße und Rippen. Doch zu meinem Stolz kann ich sagen, daß mir kein Schrei über die Lippen kam und sich mein lächelnder Mund nicht eine Sekunde lang verzerrte.
    Nach einer Weile wurde Emersons ängstlicher Griff lockerer.
    »Hm«, brummte er. »Gar nicht so schlecht, was?«
    Zum erstenmal, seit wir auf der Tanzfläche waren, holte ich Luft und
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