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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Autoren: Elizabeth Peters
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hatte mir ein Buch aus Cyrus’ ausgezeichneter Bibliothek mitgebracht, las aber nur einige Seiten daraus. Mir war es Vergnügen genug, zu beobachten, wie sich die Brust meines Gatten hob und senkte. Gelegentlich konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, über sein Gesicht zu streichen, das immer noch Spuren der Erschöpfung zeigte. Jedesmal, wenn ich es tat, murmelte Emerson »verdammte Fliegen!« und schlug nach meiner Hand. In solchen Augenblicken war das Glück, das mich erfüllte, fast unerträglich. Bald schon würde unsere Lieben in England dasselbe Glück erfüllen; früh am Morgen hatten wir Telegramme aufgegeben, in denen wir ihnen versicherten, wie sehr wir sie liebten und daß alles in Ordnung sei.
    Als wir ankamen, hatte die Nacht ihre schwarzen Schwingen über die alte Stadt gebreitet. Wir bestellten uns eine Kutsche, die uns direkt ins Schloß bringen sollte. Als sie losratterte, blickte ich mich um und sah eine bekannte Gestalt, die schnell in der Dunkelheit verschwand – oder zumindest glaubte ich sie zu sehen. Aber nein, sagte ich mir, das kann nicht sein. Kevin war mehrere Stunden vor uns abgereist, um den Zug nach Kairo zu erreichen.
    Die Lampen der Kutsche schimmerten schwach in der Finsternis. Das gemächliche Klappern der Pferdehufe war die passende Untermalung meiner melancholischen Gedanken. Es war schwer, sich das Schloß, auf das Cyrus so stolz gewesen war, ohne ihn vorzustellen. In jedem Raum, jedem Flur würde sein hochgewachsener, freundlicher Geist umgehen. Ich stellte mir vor, daß Emerson wahrscheinlich das gleiche empfand; aus Achtung vor meinen Gefühlen verharrte er schweigend in einer Nachdenklichkeit und hielt meine Hand.
    Ich nahm an, daß René die Dienerschaft von unserer bevorstehenden Ankunft unterrichtet hatte, und tatsächlich wurden wir vom Majordomus bereits erwartet und willkommen geheißen. Nach einer Verbeugung wies er uns den Weg; doch als ich begriff, wohin er uns führen wollte, blieb ich stehen.
    »Das ertrage ich nicht, Emerson. Nicht die Bibliothek … nicht heute abend. Wir haben so viele Stunden gemeinsam in diesem Raum verbracht, seinem Lieblings …«
    Aber Anubis war uns durch die Halle vorausgeeilt, und der Diener stieß die Tür auf. Der Geruch von Rauch – der Rauch einer feinen Zigarre – stieg mir in die Nase. Aus einem tiefen Ledersessel neben dem langen Tisch, auf dem Bücher und Zeitschriften verstreut lagen, erhob sich ein Mann. Zigarre, Spitzbart, elegant geschnittener Leinenanzug … Es war der Geist von Cyrus Vandergelt, sein lebensechtes Abbild.
    *
    Ich fiel nicht in Ohnmacht. Emerson behauptete es zwar, aber er versucht ja stets, mir nachzuweisen, daß ich mich – wie er es nennt – wie eine ›richtige Dame‹ verhalte. Ich will nicht bestreiten – und wer könnte mir das zum Vorwurf machen –, daß mir die Knie weich wurden und ein grauer Nebel mir den Blick verschleierte. Als er sich wieder lüftete, saß ich auf dem Sofa, Emerson tätschelte mir die Hände, und Cyrus beugte sich über mich, wobei sein Spitzbart in freundschaftlicher Besorgnis zitterte.
    »O gütiger Himmel!« rief ich … der geneigte Leser kann sich bestimmt das aufgeregte Stammeln ausmalen, das in den folgenden Minuten über meine Lippen sprudelte. Cyrus’ warmer Händedruck bestätigte mir, daß er es wirklich war und nicht sein Geist; die Anwendung eines milden Stärkungsmittels brachte mir meine gewohnte Ruhe zurück. Und bald schon waren wir eifrig damit beschäftigt, gegenseitig unsere Neugier zu stillen.
    Cyrus war wie vom Donner gerührt, als er von seinem angeblichen Tod hörte. »Ich bin erst vor einer Stunde hier angekommen«, rief er. »Die Diener sagten mir, daß Sie beide hier erwartet würden, was eine angenehme Nachricht war. Daß ich tot bin, haben sie mir allerdings verschwiegen. Einer von ihnen hätte das immerhin erwähnen können. Wie bin ich denn gestorben?«
    »Zuerst einmal sollten wir uns lieber Ihre Geschichte anhören«, sagte Emerson und warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Wo haben Sie denn die letzten Wochen gesteckt?«
    Beim Zuhören beschlich mich ein sonderbares Gefühl. Es war nicht das erstemal, daß ich eine solche Geschichte zu Ohren bekam.
    »Gleich nachdem ich in Kairo aus dem verdammten Zug gestiegen bin, haben sie mich geschnappt«, sagte Cyrus. »Ich fühlte einen kleinen Piekser in meinem Arm – dachte mir, ein Moskito hätte mich gestochen. Dann verschwamm mir alles vor den Augen. Ich weiß noch, wie mich ein paar
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