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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
Autoren: Claire McGowan
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war.
    »Kaffee!«, sagte sie strahlend und reichte ihm den Becher, auf den er immer bestand, den mit dem Wappen seines Oxford-Colleges, um allen in Erinnerung zu rufen, dass er ein Intellektueller war, auch wenn er Werbetexte für Frühstücksflocken schrieb.
    »Äh, Tory?«, sagte sie. »Ich würde gern kurz mit dir sprechen? Über das Snax-Rebranding?« Wie jede Frau in diesem Büro ließ Charlotte ihre Aussagen stets wie Fragen klingen, indem sie am Satzende die Stimme hob. Das signalisierte Freundlichkeit und die Bereitschaft, sich widersprechen zu lassen. Es fiel ihr schon gar nicht mehr auf.
    Simon trat einen Schritt zurück. »So ist es gut, Tory. Dann lasse ich die Damen mal allein.« Er stolzierte davon, in seiner Prada-Strickjacke, Kaffeetropfen im Bart.
    Tory schaute beklommen. »Das ist grenzwertig, oder? Sein … Na-du-weißt-Schon war gerade nur Millimeter von meiner Achselhöhle entfernt.«
    Charlotte strich sich die prachtvoll altgoldenen Locken zurück und plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen. »Er ist normalerweise ganz harmlos. Aber wenn er dich auf einen Drink einlädt, solltest du unbedingt darauf achten, dass noch andere Leute dabei sind. Das meine ich ernst.«
    Tory lachte unsicher, und Charlotte war mit sich zufrieden: wie gut sie sich in diesem Büro auskannte, wie sie mit Simon umgehen konnte, so dass er ihr geradezu aus der Hand fraß – wenn auch nach einigen bitteren Lektionen. Doch die lagen nun hinter ihr, und sie war nicht mehr so ahnungslos wie diese Tory. »Das wird schon. Mach dir keine Sorgen.«
    16.15 Uhr. Heimlich startete sie ihre Tischplanungs-Software. Ja, das Rebranding eines Siebzig-Kalorien-Snacks war eine große Sache, und sie würde den Snack auf jeden Fall auch selber kaufen, wenn er erst mal auf dem Markt war, aber bis zur Hochzeit war es nur noch eine Woche, und ihre verdammte Cousine Mary und deren schlappschwänziger Gatte hatten immer noch weder zu- noch abgesagt. Nicht zu fassen! Und was war mit Dans wilder Uni-Clique, zu der mindestens ein getrenntes Pärchen und eine Exfreundin von ihm gehörten? Sie schürzte die Lippen und schob kleine Namen auf dem Bildschirm hin und her wie eine bestens organisierte Göttin.
    Keisha
    Chris hatte ihr erst nicht geglaubt, als Ruby auf der Welt war. »Die ist ja total schwarz«, hatte er gesagt, als das Baby gerade mal ein paar Tage alt war und sich der Braunton ihrer Augen ständig änderte, wie bei Steinen, die im Wasser lagen. Es war das Schönste, was Keisha je gesehen hatte.
    »Ich weiß nicht, wie das kommt«, hatte Keisha immer wieder gesagt, und ihre Augen war ebenso wenig trocken zu kriegen wie ihre blöden Schwangerschaftsbrüste – wie ein Wasserhahn, der sich einfach nicht zudrehen ließ. »Sie ist von dir. Ich schwöre es bei Gott: Sie ist von dir.« Natürlich war das Kind von ihm. Es hatte keinen anderen gegeben – nicht seit Keisha zwölf Jahre alt war, im Geschichtsunterricht saß und ihn in der Tür stehen sah, mit einer Fluppe zwischen den Lippen. Sie hatte gehört, dass so was manchmal vorkam, und so musste es in ihrem Fall gewesen sein. Dieses Baby war nur zu einem Viertel schwarz – oder vielleicht noch weniger, falls Mercy irgendetwas Weißes in sich hatte. Aber man sah es an Rubys Haaren, an ihrer Nase und ihren dunklen Mandelaugen. Keisha hingegen konnte man, wenn man nicht so genau hinsah, leicht für eine Weiße halten.
    »Die Leute werden sagen, ich habe dich gestohlen«, hatte Keishas Mum oft gesagt, als sie damals zur Krabbelgruppe gingen. Aber wer war schuld daran? Mercy natürlich, die sich von irgendeinem weißen Typen hatte schwängern lassen und daraufhin ihre Ausbildung abgebrochen hatte. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sich Keisha bei jedem Weißen im richtigen Alter, der ihr begegnete, gefragt, ob er wohl derjenige war; bei Männern mit Aktentasche und Regenschirm ebenso wie bei betrunkenen Pennern, die in den U-Bahn-Stationen herumhingen. Jeder von ihnen hätte es sein können. Mercy hatte ihr nie ein Sterbenswörtchen über ihren Vater verraten.
    Als sie Sandras Dienststelle in West Hampstead verließ, fasste sie einen Plan: Sie würde Chris etwas Schönes zum Abendessen mitbringen, aus dem Waitrose, dem schicken neuen Supermarkt an der Finchley Road, und wenn er dann gut drauf war, würde sie ihn noch mal bitten, ihr dabei zu helfen, dass sie ihr Kind wiederbekamen. Als sie jedoch ihren Geldbeutel zückte, musste sie feststellen, dass das Geld, das sie als Lohn bekommen hatte,
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