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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Autoren: Sabine Ludwig
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Gästeklo.»
    «Da sitzt Poppy.»
    Er klopft energischer. Marthas Hand rutscht ab, der Lidstrich verschmiert, sie flucht. Dann reißt sie die Tür auf. «Nicht mal eine Minute hat man in dieser Scheißbude, ohne dass man gestört wird!»
    «Martha!», ruft ihre Mutter aus der Küche.
    «Scheißbude sagt man nich», tönt Poppy vergnügt vom Klo.
    Martha geht in ihr Zimmer und knallt die Tür zu. Mit einem Kleenex wischt sie sich die Augen ab. Jetzt sieht sie aus, als hätte sie geheult. Na super, dabei haben sie die ersten beiden Stunden Englisch. Sie zieht ihren Rock zurecht. Er ist eigentlich zu kurz und auf jeden Fall zu eng. Warum hat sie bloß gestern Abend noch den Rest kalte Lasagne in sich reingestopft? Dabei war sie nach der Portion, die ihre Mutter ihr gebracht hatte, völlig satt gewesen. Etwas Obst hätte völlig gereicht. Aber nein, es musste die Lasagne sein mit dem erstarrten Käse obendrauf, und als wäre das noch nicht schlimm genug, hatte sie im Küchenschrank so lange herumgewühlt, bis sie eine noch fast volle Tüte mit Gummibärchen entdeckt und aufgegessen hatte. Das ist heute Morgen mindestens ein Kilo mehr.
    Gut, Frühstück wird sie sich schenken, aber heute stehen acht Stunden auf dem Plan, das hält sie nicht durch.
    Jill kann essen, was sie will, die nimmt nie zu, im Gegenteil. Ob es daran liegt, dass sie raucht? Das hat Martha auch probiert, dummerweise wird ihr schon nach den ersten Zügen schlecht.
    Sie guckt in den kleinen goldgerahmten Spiegel auf ihrem Schreibtisch. Der Pickel auf der Stirn war gestern auch noch nicht da, aber wenn sie an dem jetzt rumdrückt, macht sie alles nur noch schlimmer. Sie schmiert Make-up drauf, doch jetzt sieht es erst recht scheiße aus. Schon Viertel vor acht. Verdammt! Sie kommt zu spät und alles nur wegen dem Glatzkopf und seinem verfluchten Balg.
    Martha stopft Hefter und Bücher in den Rucksack und winkt nur ab, als Constanze ihr in der Küche einen Apfel und ein Brot hinhält. Lieber kauft sie sich eins der altbackenen Brötchen in der Schul-Cafeteria.
    Obwohl es schon wieder nach Regen aussieht, muss sie das Fahrrad nehmen, nur so hat sie eine Chance, pünktlich zu kommen. Zu spät merkt sie, dass der Hinterreifen fast platt ist. Sie fährt trotzdem weiter und versucht elegant, eine Absperrung zu umrunden. Dabei rutscht ihr der Rock hoch, und zwei Bauarbeiter, die gerade die Straße aufreißen, pfeifen ihr hinterher. «Mann, die hat vielleicht Beene», sagt der eine.
    «Wie ’n Elefant», sagt der andere.
    «Scheiße!», murmelt Martha. «Scheiße, scheiße, scheiße.»
     
    «What do you think about Stella?»
    Martha zuckt zusammen. Miller hat sie angeschaut. Er meint sie.
    «I think … äh …»
    Hinter ihr hört sie leises Lachen und ein abfälliges «Ei sink».
    Immer machen sich alle über ihre Aussprache lustig.
    «Stella is …» Was heißt denn bloß schwanger auf englisch? «Pregnant», flüstert ihr Jill zu.
    «Pregnant», sagt Martha. «Stella is pregnant and she loves her husband.» Das ist schon mal richtig.
    «I like to hear something about her relationship towards her sister Blanche.»
    Jill meldet sich. Glücklicherweise.
    Warum muss Miller auch ausgerechnet Englisch unterrichten?, denkt Martha. Er könnte doch Kunstlehrer sein, so wie er aussieht, so unkonventionell. In Kunst ist Martha wirklich gut. Sie stellt sich vor, wie sie eifrig an einem Sonnenuntergang pinselt, er beugt sich über sie, seine Haare streifen ihre Wange, er flüstert ihr ins Ohr …
    «Martha?»
    «Was?»
    «English please.»
    Das Klingeln erlöst sie. Martha will so schnell wie möglich raus aus der Klasse, aber andererseits möchte sie auch bleiben, unter irgendeinem Vorwand mit Miller sprechen. Genau, warum sagt sie ihm nicht einfach, dass sie das Stück nicht kapiert hat?
    Sie geht zum Lehrertisch, wo Miller gerade einen Eintrag ins Klassenbuch macht.
    «Excuse me, Mister Miller, but I –»
    Mit einem jungenhaften Lächeln schaut er zu ihr hoch. «Die Stunde ist vorbei, du darfst deutsch sprechen.»
    «Ich hab das Stück nicht verstanden», stößt sie hervor.
    Na, super! Das hätte sie ja auch etwas eleganter formulieren können. «Also, ich meine, der tiefere Sinn ist mir irgendwie nicht so richtig –» Sie bricht ab.
    «Lass es dir von Jill erklären. Ich glaube, sie weiß, worum es geht.»
    Martha beißt sich auf die Lippen.
    Miller schlägt das Klassenbuch zu. «Vielleicht solltest du das Stück noch einmal ganz genau lesen. Ich überlege
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