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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Autoren: Joachim Fuchsberger
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noch der Sargdeckel zwischen dem Dahingeschiedenen und ihm, dem glücklichen Erben aller guten Eigenschaften des Verstorbenen und seinem Geld. Da war doch Dank angebracht...
     
    Wenn wir in den Irrungen und Wirrungen unserer Zeit nicht mehr weiterkommen, wenn der Mut zu unpopulären aber wichtigen Entscheidungen nicht reicht oder schlicht und bedauerlich keine bessere Erklärung zur Hand ist, müssen Statistiken herhalten.
Obwohl wir alle mehr und mehr allen Statistiken misstrauen.
    »Glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast...!«
    Gerade haben wir gelernt, dass statistisch jede zweite Ehe innerhalb eines Jahres wieder geschieden wird, oder in einem Dauerfiasko endet, da kommt das überraschende Statistik-Update, dass die Scheidungsrate bei verheirateten über Siebzigjährigen prozentual höher ist als bei Jungvermählten.
    Das kapiere ich nun überhaupt nicht mehr. Gut, Irrungen in jugendlichen Sturm- und Drangjahren, unter dem Motto: Her und auf den Baum... sind durchaus verständlich. Es ist nun mal biologisch so eingerichtet, dass sich beim Mann, bei gewissen Erregungszuständen in der unteren Körperregion, auch das Hirn, und damit der Verstand, nach unten verlagern. Eine Binsenweisheit.
    Nachdem aber diese tief liegenden Erregungszustände naturbedingt seltener werden, um irgendwann gänzlich auszubleiben, muss es also eine andere Begründung für die statistisch festgestellte Trennungstendenz bei den Alten geben.
    Nicht das Nachlassen von Stehvermögen und Sprungkraft... Nein, vermutlich gehen sich ältere Paare nach langem Zusammenleben auf den Wecker.
Eingefahrene Sprüche, üble Gerüche, zunehmend schlechte Manieren, Uneinsichtigkeit, unerwünschte Geräusche, die zu unterdrücken sich besonders alte Männer nicht genug bemühen.
    Es soll da Exemplare geben, die ab vier Uhr nachmittags in Schlafanzug, Bademantel und Pantoffeln durch die Wohnung schleichen oder vor der Glotze sitzen und den Lebenspartner intellektuell verhungern lassen. Dass der oder die sich anderwärts nach einer »Sättigungsbeilage« umsehen, ist doch kein Wunder. Oder?
    Geht miteinander aus, seht euch die Welt an, und wenn es dazu nicht reicht, auch in der nächsten Umgebung gibt es immer etwas zu entdecken.
    Und redet miteinander. Bei uns ist es inzwischen zum Sport geworden, Paare zu beobachten, die im Restaurant zusammen am Tisch hocken, stumm vor sich hin glotzen und kein Wort miteinander reden. Man hat sich gerade noch über das Angebot auf der Speisekarte ausgetauscht und bestellt. Das war’s dann. Ab da kein Wort mehr, kein Blick, keine appetitanregende Unterhaltung. Nichts. Schweigen. Anöden.
    »Rede mit mir«, sagt dann meine Regierung, »sonst denken die Leute, wir haben uns auch nichts mehr zu sagen, wie die da drüben!«
    Und ich sage ihr dann, dass das Licht in diesem
Restaurant besonders günstig für Frauen zu sein scheint, sie sähe einfach hinreißend aus.
    »Das ist das Licht hier drin«, sagt sie, und wir beide lachen.
    Lachen ersetzt teure Cremes, Lachen ersetzt den Psychotherapeuten. Ich weiß, viele haben nichts mehr zu lachen, aber ebenso viele haben das Lachen nur verlernt, vor allem das Lachen über sich selbst.
    Das allerdings vergeht einem, wenn man Rechnungen für Jugendsünden zu bezahlen hat.
    Eine der schwierigeren Übungen mit zunehmendem Alter ist die Bemühung, das Verständnis für die Jugend nicht gänzlich zu verlieren. Wir Alten werden ja neuerdings gern dafür verantwortlich gemacht, dass wir mit unseren Ansprüchen auf Lebensqualität die Zukunft der Jugend gefährden.
    Nach Ansicht einiger Soziologen soll das der Fall sein. Gern nehmen Politiker diese Sorge als Begründung für ihre oft bemerkenswerten Aktivitäten her, dem zweifellos bestehenden Problem Überalterung in unserem Land zu begegnen.
    Was sollen wir also machen? Uns umbringen, um der Jugend nicht weiter im Weg zu stehen?
    Auf die Segnungen der Medizin und die Kunst der Ärzte verzichten, um früher ein mehr oder weniger seliges Ende zu erreichen?

    Auf unsere erworbenen Versorgungsansprüche verzichten, damit die Repräsentanten unseres Staates, nach schönen Reden und dringenden Sparappellen, mit Bundeswehrmaschinen zu unseren Fußball spielenden Jung-Millionären nach Südafrika oder zur nächsten Weltmeisterschaft nach Brasilien fliegen können?
    Falsch. Alles falsch.
    Statt uns im Schmollwinkel zu verkriechen, um dort als beleidigte Leberwürste zu versauern, müssen wir Alten den Kontakt zur Jugend
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