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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Autoren: Joachim Fuchsberger
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hatte, einem überdimensionalen Neufundländer, der allerdings nicht anwesend war, durch ein Mitglied des »Vereins Deutscher Neufundländer e.V.« aber würdig
vertreten wurde. Diese Gattung bellender Grundstücksbewacher wird mehr und mehr ein Grünwalder Problem. Wenn wir schon von ewiger Ruhe sprechen, die ist dahin, und einige gut nachbarschaftliche Beziehungen durch das Überhandnehmen der steuerpflichtigen Lärmmaschinen auch. Meiner Meinung nach wäre es eine Doktorarbeit wert, wie man dem Problem beikommen kann. Durch Erziehung der Kläffer, oder der Hundebesitzer. Aber zurück zur Beerdigung.
    Dieser Vertreter der »Deutschen Neufundländervereinigung e.V.« war von Statur klein und dick, »gut durch den Winter gekommen«, wie man in Bayern zu sagen pflegt. Schon deshalb hatte er Schwierigkeiten, den durch den strömenden Regen glatt gewordenen Hügel zu erklimmen. Was es ihm aber fast unmöglich machte, das war der niederzulegende Kranz, der ihn an Größe und Umfang um einiges überragte. Warum um alles in der Welt hat er dieses blumengeschmückte Monstrum nicht vorher abgegeben? Unter noch versteckt heiterer Anteilnahme der Trauergemeinde versuchte er, das überdimensionale Gebinde nach oben zu bugsieren. Endlich dort angekommen, die Situation verbot, ihm verdienten Beifall zu spenden, verschnaufte er eine Weile, hielt den Kranz mit steil aufgerecktem rechtem Arm, während er mit der Linken
das für ihn viel zu hoch eingerichtete Mikrofon in Nasenhöhe zu bringen versuchte.
    Als ihm auch das gelungen war, richtete er zuerst seinen Blick, und nach gekonnter Pause seine Worte an die schon etwas angekicherte Trauergemeinde: »Liebe Freunde des Verstorbenen, ich habe die traurige Ehre, im Namen des Deutschen Neufundländerverbandes...«
    Bis dahin war es grade noch gut gegangen, man hatte, wenn auch mühsam, die gebotene Fassung bewahrt. Jetzt ging’s einfach nicht mehr. Wir fingen an zu lachen, konnten nicht aufhören, handelten uns böse Blicke ein. Der Verstorbene hat es uns hoffentlich nicht verübelt.
    Vielleicht hat er von irgendwo zugesehen - und auch gelacht?
    Ich würde mich freuen, wenn bei meinem Abschied nicht nur geweint, sondern auch gelacht würde.
     
    Ich denke an eine andere Beerdigung. Der Stiefvater von Romy Schneider wurde in Köln zu Grabe getragen. Der Friedhof war weiträumig abgesperrt. Tausende waren gekommen, um mitzuerleben, wie der prominente Gastronom von seiner Familie und der »Prominenz aus Bühne, Film und Funk« zur letzten
Ruhe gebettet wird. Vor allem aber wollten sie sehen, ob ihr geliebter »Romy-Superstar« kommt. Sie kam nicht. Aber es war so viel autogrammwichtige Prominenz erschienen, dass es für die Jäger kein Halten mehr gab. Sie durchbrachen die Absperrungen und fielen über ihre Opfer her, ohne Rücksicht auf die Gräber.
    »Haben Se Karten dabei?«
    »Merken Sie nicht, dass wir auf einer Beerdigung sind?«
    »Komm, stell dich nit so an, ich will doch bloß’n Autogramm!«
    Der Trauerzug war gestoppt. Einige schrieben. Der Sarg entfernte sich Richtung Grabstätte. Einige Gräber hatten unter dem Ansturm hysterisch schreiender Autogrammjäger stark gelitten. Es war furchtbar.
    Dann war dieser Albtraum von Beerdigung zu Ende. Zum »Leichenschmaus« waren wir in ein bekanntes Kölner Restaurant am Ufer des Rheins geladen. Schon beim Betreten des Saales beschlich mich ein seltsames Gefühl, eine Ahnung, dass uns eine besondere Überraschung bevorstand.
    Der für einige hundert Gäste vorbereitete Raum erstrahlte in totalem Weiß. Weiß überzogene Stühle, weiß gedeckte Tische mit weißen Blumen. Weiße
Wände. Auf der Wand gegenüber der Glasfront zum Rhein ein alles beherrschendes, riesiges Bild des Verstorbenen.
    Darunter eine weiß abgedeckte Bühne. Auf dieser Bühne ein dem Bild zugewandtes Stehmikrofon, ein mit weißen Tüchern abgehangener Tisch. Auf dem Tisch ein Tonbandgerät.
    Ich glaube, jeder der Anwesenden wusste, dass HHB sein Leben lang für Überraschungen gut war, und heute, nur wenige Stunden, nachdem wir noch eine Schaufel Erde auf seinen Sarg geworfen haben?
    Nach der Suppe und den ersten Gläsern Wein hörte man hier und da auch mal ein verhaltenes Lachen.
    Plötzlich ging ein mit einem weißen Mantel bekleideter Mensch quer durch den Saal, auf die Bühne zu, stieg die zwei Stufen hoch, richtete das Mikrofon nochmals auf das Bild des Verstorbenen an der Wand zurecht, drehte sich zum Tisch, beugte sich über das Tonbandgerät, schaltete es
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