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Altstadtfest

Altstadtfest

Titel: Altstadtfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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lange er noch bleiben will?«
    Wieder nickte der Alte. »Ein verrückter Name«, sagte er. »Unmöglich, sich den zu merken.« Die Zungenspitze im Mundwinkel, schlug er die Seiten seiner Zeitung nach hinten zusammen. Er tat es mit so viel Schwung, dass ihm die Brille von der Nase rutschte. Anschließend faltete er das Blatt in der Mitte und zog den Falz mit angefeuchteten Fingern nach. Die Zeitung wurde zur Seite gelegt, die Brille wieder aufgesetzt. Dann langte er unter den Tresen nach dem Gästebuch des Hotels. Er blätterte vor, blätterte zurück und fuhr dabei mit dem Zeigefinger die Einträge entlang. Der Finger schien noch etwas feucht zu sein, denn die obersten der mit Füller geschriebenen Namen verwischten leicht.
    »Ich habe Zeit«, sagte ich. »Bloß an Silvester müsste ich wieder zu Hause sein.«
    Er nickte, drehte das Buch um 180 Grad und schob es mir hin. Sein knochiger Finger wies auf einen Eintrag, der in ausladend verschnörkelter Schrift vorgenommen worden war.
    »Hermann von Kant«, las ich. »Möckmühl. Das ist er?«
    »Der Mann, ja. Nicht der Kadett.«
    Laut Gästebuch war er am Dienstag dieser Woche eingetroffen. Er bewohnte ein Einzelzimmer mit Dusche, und er nahm Frühstück. Wenn die Angaben von Schwarz stimmten, war Mister X schon am Wochenende in der Stadt gewesen. Vermutlich hatte er seine Unterkunft aus Sicherheitsgründen gewechselt.
    »Danke«, sagte ich. »Ist er im Haus?«
    Kopfschütteln. »Abgereist.«
    »Wann?«
    Der Alte schob den Ärmel der Uniform zurück, um einen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen. »Vor drei Minuten.«
    »Wie bitte? Vor drei Minuten? Er war eben noch da?«
    »Als Sie kamen, ist er gerade hinten raus.«
    »Warum hinten?«
    »Vielleicht wollte er eine Begegnung mit Ihnen vermeiden.«
    »Sie meinen, er hat mich gesehen?«
    »Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Und wohin wollte er?«
    Der Alte hob die Schultern. »Wenn man das wüsste! Vorhin, von unterwegs, rief er mich an und bat um zwei Taxis. Eines sollte ihn hierher bringen, das andere ihn um zehn vor dem Hotel abholen.«
    »Aber wohin dieses Taxi fahren sollte, sagte er nicht?«
    »Nein.«
    »Mist.«
    Plötzlich grinste der Alte über beide Backen. Es sollte pfiffig wirken, dieses Grinsen, und das tat es auch.
    »Was gibts? Hab ich was verpasst?«
    »Bevor Herr von Kant nach oben ging, um seine Sachen zu holen, war er kurz im Internet.« Er zeigte ans Ende des Raumes, wo ein altersschwacher PC vor sich hinsummte. »Und kurz danach überkam mich das unbändige Verlangen nachzusehen, welche Seiten er aufgerufen hat. Wissen Sie, wir haben kaum Gäste, da sucht man sich seine Beschäftigung. Leute mit seltsamen Namen kommen einem gleich seltsam vor.«
    »Ja, und? Was waren das für Seiten?«
    »Er hat sich eine ICE -Verbindung nach München herausgesucht. Für Viertel vor elf, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Sie sind unbezahlbar. Vielen Dank!« Ich schüttelte dem Alten die Hand und eilte nach draußen. Im Gehen wählte ich Fischers Nummer.
    »Sie schon wieder?«
    »Sind Sie am Tatort? Der Mörder ist unter dem Namen Hermann von Kant abgestiegen und flüchtet per Zug.« Das Handy in der Rechten, stieg ich in den Mini. Zum Starten nahm ich es in die andere Hand. »Wahrscheinlich nimmt er gegen 10.45 Uhr einen ICE nach München.« Ich drehte den Zündschlüssel, doch zu mehr als einem sanften Schnurren mochte sich Gertrud nicht bequemen. Wieder bockig, die Kleine. Während ich dem Kommissar Kants Beschreibung durchgab – mit und ohne Bart –, betätigte ich erneut den Anlasser. Nichts.
    »Was glauben Sie, wie viele Leute ich noch zur Verfügung habe?«, beschwerte sich Fischer. »Am Sonntagmorgen!«
    »Wir müssen den Kerl aufhalten. Alles andere ist zweitrangig. Trotzdem, ein Streifenwagen hier am Hotel Clara wäre nicht schlecht. Wir treffen uns am Bahnhof. Dort erkläre ich Ihnen alles.« Ich warf das Handy auf die Ablage und wollte den Mini nach bewährtem Muster starten, als die Beifahrertür aufgerissen wurde.
    »Keine Bewegung, mein Junge«, sagte eine ruhige Stimme. »Das ist eine Pistole, und sie ist geladen.«
    Ich erstarrte.
    Der Mörder stieg zu. Der Mörder des Frettchens, der Mörder Klemms, der Pistazienfuzzi namens Hermann von Kant. Meine rechte Schläfe begann zu kribbeln. Genau dort, wo die Mündung der Pistole auf die Haut traf. Ganz entspannt saß der Lange neben mir und hielt mir seine Waffe an den Kopf. Richtig, er war ja Linkshänder, wie ich seit unserer Begegnung am Anleger

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