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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte
Autoren: Eric Malpass
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bedrückt.
    «Aber mein Liebling, du hast doch nicht etwa auf dem alten Kohlenherd zu kochen versucht?»
    «Doch, weil der verdammte Puter nicht in den Gasherd hineingehen wollte!» brüllte Vater.
    «Na, da werde ich mich wohl mal drum kümmern müssen»,
    sagte Mutter und entschwebte in die Küche.
    Kurz darauf hörten wir sie draußen in der Diele telefonieren. «Rita? Hier ist Clementine Kemble. Ja, danke schön, es war eine herrliche Reise. Wie geht es denn Ihrem Neffen? Könnten Sie mich wohl mit dem Schornsteinfeger verbinden, ich weiß seinen Namen nicht mehr - o danke, jetzt wo Sie ihn sagen, fällt er mir wieder ein. Mr. Watts, ja.» Dann eine kleine Pause. Und wir hörten: «Mr. Watts? Hier spricht Mrs. Kemble. Es tut mir wahnsinnig leid, Sie heute zu stören, Mr. Watts, aber — also, wir stehen wirklich vor einer Katastrophe, und Sie sind unsere einzige Hoffnung. Ich weiß, es ist nicht recht von mir, Sie am Heiligabend zu stören, ich kann es Ihnen gar nicht zumuten, aber -Sie wissen ja, wir sind so sehr angewiesen auf Ihre freundliche Hilfe. Ja, das ist schön, Mr. Watts. Ich hätte Sie gewiß nicht angerufen, aber wir haben sonst wirklich keinen Weihnachtsbraten. Vielen Dank, Mr. Watts.»
    Sie legte den Hörer auf. Ihre Augen glänzten, als sie zu uns hereinkam. «Er kommt in einer halben Stunde - mit Besen.»
    Jetzt legte Vater los. «Clementine, dir scheint nicht klar zu sein, daß heute Heiligabend ist? Es ist mir völlig unverständlich, woher du die Frechheit nimmst, den Mann heute zu belästigen.»
    «Nun, er hätte es auch nicht für jeden getan», gab Mutter zu.
    «Es geht hier um das Prinzip», schäumte Vater. «Diese Leute reisen nicht wie du durch die Welt, sondern haben das ganze Jahr hart gearbeitet und weiß Gott das Recht auf ihren Feiertag.»
    «Haben wir eigentlich Sahne im Haus?» fragte Mutter.
    «Nein.»
    «Und wie steht’s mit Weißwein?»
    «Ich habe noch eine Flasche guten Liebfrauenmilch, und den möchte ich nicht als Sauce zu mir nehmen», sagte Vater.
    «Sollst du auch nicht. Ich wollte nur Bescheid wissen. Es scheint auch sonst nicht viel im Haus zu sein. Ich fahre schnell ins Dorf und kaufe ein.» Sie ging in die Garderobe, schlüpfte aus den Schuhen, zog sich einen Regenmantel und Gummistiefel an und holte dann im Schuppen ihr Fahrrad. «Über Weihnachten kannst du bleiben», brüllte Vater hinter ihr her, «aber das ist auch alles.»
    Als sie mit ihren Einkäufen zurückkam, hatte der Regen aufgehört, und unser Garten glitzerte im blaßgelben Sonnenuntergang. «Wollen wir nicht etwas Tannengrün hereinholen und ein paar Stechpalmenzweige mit roten Beeren?» fragte Mutter mich. Wir gingen hinaus in den Garten, standen nebeneinander, und unsere beiden Scheren schnippelten fröhlich durch die Zweige.
     

18
     
    Jetzt war das Haus mit Kerzen, Flittergold und Grün geschmückt. Es duftete köstlich nach Puter. Mutter hatte ihre Weihnachtsgeschenke an alle verteilt.
    Das festliche Essen hatte Vater spürbar milde gestimmt. Wir alle saßen vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer zusammen, nur Gloria war wieder einmal zu einem ihrer geheimnisvollen nächtlichen Spaziergänge aufgebrochen, die sie in letzter Zeit häufiger unternahm. Vater nahm die Zigarre aus dem Mund, füllte noch einmal sein Glas aus der Karaffe, die Mutter neben ihn gestellt hatte, und sagte dann nach einem wohligen Seufzer: «Du hast weiß Gott deine Fehler, Clementine. Aber kein Mensch kann behaupten, daß du nicht kochen kannst.»
    «Was für ein nettes Kompliment von dir, aber ich glaube, daß ich hier nicht nur in der Küche fehlte», sagte Mutter.
    Vater zog die Stirn in Falten und sagte: «Liebe Clementine, ich möchte feststellen, daß ich die letzten sechs Monate ganz gut auch ohne dich ausgekommen bin und die Zügel fest in der Hand hatte.»
    Sie lächelte liebevoll. Dann beugte sie sich vor und sagte: «Aber Liebster, das brauchst du nicht zu betonen. Ich wußte, daß ich dir meine drei Spatzen unbesorgt überlassen konnte.»
    Vater sah aus, als hätte er am liebsten geschnurrt.
    Mutter lachte vor sich hin. «Meinem kleinen Trubshaw hätte ich das gar nicht zugetraut.»
    Vater horchte auf. Er hatte sich sicher über Trubshaw nie die geringsten Gedanken gemacht, aber er wollte sich wohl keine
    Blöße geben und sagte: «Ich auch nicht, die Lehrer sind sehr zufrieden mit ihm.»
    Mutter sah ihn mit runden Augen an. «Zufrieden? Du spaßt wohl.»
    «Wieso denn?» fragte er unsicher. «Ich hatte den
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