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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen
Autoren: A Beer
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die Lippen. Doch bevor sie auch nur darüber nachdenken konnte, ob sie zurücklächeln sollte oder nicht, kam Jenny ihr zuvor.
    » Stell dir vor! Das rätst du nie! Ich gehe aufs Editors -Konzert!« Sie strahlte über das ganze Gesicht. Von der Anspannung zwischen Marie und Theresa schien sie nichts zu bemerken.
    Marie spürte, wie ihr Herz für einen Augenblick zu pumpen aufhörte. Sie schaffte es nicht einmal, ein halbwegs begeistertes Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen. Diese Nachricht war an diesem Morgen mehr, als sie glaubte ertragen zu können. Die Editors waren ihre erklärte Lieblingsband, und natürlich wusste sie, dass die Gruppe an diesem Wochenende ein Clubkonzert in der Markthalle Hamburg geben würde. Theresa und ihre ältere Schwester hatten die Karten zu Weihnachten bekommen, und Marie hatte ihre Mutter endlose Stunden lang angefleht, auch hingehen zu dürfen. Aber Karin blieb eisern. Keine Konzerte. Nicht, solange die Ursache für Maries Anfälle nicht endgültig geklärt war. Da halfen Schmeicheln und Betteln ebenso wenig wie Tränen und Wutausbrüche. Theresa hatte Marie fürchterlich bemitleidet und versprochen, ihr alles haargenau zu erzählen, aber viel hatte das natürlich nicht geholfen. Maries einzige Verbündete in diesem Leid war bisher Jenny gewesen, die ebenfalls keine Erlaubnis von ihren Eltern bekommen hatte. Doch jetzt würde auch sie auf das Konzert gehen– und Marie somit die Einzige sein, die zu Hause bleiben musste. Sie schluckte hart und bemühte sich, ihre Freundinnen nicht merken zu lassen, wie sehr sie getroffen war. Schultern zucken, Braue heben: Die › coole Unnahbare‹ funktionierte immer. Auch wenn es wehtat.
    » Wie hast du denn deine Eltern rumgekriegt?« Gemeinsam machten sich die drei Mädchen auf den Weg über den Schulhof.
    » Timo hat sie überredet.« Jenny grinste breit. Timo war Jennys Freund. Er war ein Kumpel ihres großen Bruders, ein Ass im Handball und besuchte ein Sportgymnasium in Harburg. Vor zwei Wochen hatte er seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert. Wenn er dabei war, durfte Jenny fast alles.
    » Das wird so cool«, sagte Theresa und hakte sich bei Jenny unter. » Wir müssen unbedingt noch Klamotten kaufen. Morgen? Oder Freitag?«
    Marie merkte, wie ihr das Atmen allmählich schwer fiel. Sie warf ihrer Freundin einen schnellen Blick zu, aber Theresa schien sich an die Szene vom Vortag gar nicht mehr zu erinnern– oder sie zumindest für erledigt zu halten. Marie würgte den Kloß in ihrer Kehle mühsam herunter. Sie hasste es, wenn Konflikte nicht geklärt wurden. Und einfach nicht darüber zu reden, machte in ihren Augen alles nur noch schlimmer. Doch jetzt, so kurz vor Unterrichtsbeginn, war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um das Thema anzusprechen, auch wenn es ihr mehr und mehr auf den Magen drückte. Wie es aussah, würde sie wohl oder übel warten müssen.
    » Auf jeden Fall! Kommst du auch mit?« Jenny stieß sie fröhlich in die Seite.
    Marie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. » Ich glaube nicht.«
    Jennys Lächeln verblasste schlagartig. » Ach so, ja… tut mir leid. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass du nicht mitdarfst.« Sie klang zerknirscht.
    Marie rang sich ein Grinsen ab und bereute sofort, ihre Enttäuschung so deutlich gezeigt zu haben. Jenny konnte schließlich am allerwenigsten etwas dafür, dass es ihr schlecht ging. » Schon okay. Ich komm damit klar.«
    » Beim nächsten Mal bist du sicher auch dabei«, versuchte Theresa sie zu trösten. » Und dann geht die Party erst richtig los!«
    Marie lächelte gequält und schwieg. Gestern noch wäre es ihr nach diesem Trost sofort besser gegangen. Heute fühlte sich jedes von Theresas Worten falsch an. Unecht. Als wäre es ihr eigentlich egal.
    Marie ballte in den Manteltaschen die Fäuste. So konnte das nicht weitergehen. Sie musste mit Theresa reden, und zwar bald. Hoffentlich bekam sie schnell eine Gelegenheit dazu. Sie hörte nicht weiter hin, wie ihre Freundinnen Pläne schmiedeten. Dieser Tag war grau. Ekelhaft grau. Und er würde auch nicht mehr besser werden.

Drittes Kapitel: Stigma
    Etwas stimmte nicht mit ihr. Gabriel sah ihr zu, wie sie mit ihren Freundinnen über den Schulhof ging. Sie war ihm schon öfter aufgefallen, weil sie sich mit ihrer natürlichen, etwas schlaksigen Art von den anderen Mädchen unterschied. Sie war nicht hässlich, ganz und gar nicht – mit ihren glänzenden blonden Haaren und den klaren blauen Augen hätte sie
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