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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden
Autoren: Boris Dreyer
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diente die Eroberung des Alpenraums im Jahr 15 v. Chr. durch Tiberius und Drusus,
     die bereits 16 v. Chr. durch Silius Nerva vorbereitet und begonnen worden war. Die römischen Aktionen rechts des Rheins und
     nördlich der Donau folgten einer eigenen Logik. Das heißt nicht, dass die Offensiven dort völlig unabhängig von allen anderen
     Feldern der Außenpolitik und den Bedingungen in Rom abliefen.
    Die Siedlungsgebiete der einzelnen Germanenstämme änderten sich stetig, nicht zuletzt beeinflusst durch die Wanderungen der
     Sueben-Stämmegruppe zur Zeit Caesars und vor allem auch durch die Eroberungen der augusteischen Zeit. Erst nach dem Ende dieser
     Offensiven und der Festschreibung des Rheins als Grenze (mit einem vorgelagerten, vom Limes zwischen Koblenz und Regensburg
     eingefassten Gebiet im heutigen Südwestdeutschland) kamen die Stämme zur Ruhe. Diese Situation fängt der Historiker Tacitus
     mit seinem Werk
Germania
, das 98 n.Chr. erschien, ein. Dabei ging es dem Historiker nicht nur um die Beschreibung der Siedlungsorte und des freiheitsliebenden,
     einfachen und ungebundenen Lebens dieser Barbaren, die allein der Zwist untereinander von einem unbezwingbaren Zug gegen Rom
     abhielte. Es ging Tacitus auch um einen Sittenspiegel, den er, nach Jahren des Sittenverfalls und der Despotie unter Domitian
     (81–96 n. Chr), den Zeitgenossen, seinen Landsleuten und Standesgenossen, vorhielt. Geradezu beschwörend rief er daher aus: 3
    |27| So hoffe ich doch wenigstens auf die ewige Beständigkeit des Hasses dieser Stämme untereinander, wenn sie uns schon nicht
     lieb gewinnen wollen, weil bei dem lastenden Verhängnis für das Reich das Schicksal nichts Größeres gewähren kann als den
     Zwietracht der Feinde.
    Aber auch Tacitus hatte bereits Vorgänger: Neben dem Germanenwerk von Antidius Bassus, den Exkursen des Historikers Livius
     und dem Werk
Bella Germaniae
des Germanienkenners Plinius d. Ä. sind in diesem Zusammenhang vor allem die Exkurse über die Sitten der Germanen aus der
     Hand Caesars anzuführen.
    Gaius Julius Caesar war der Erste, der zwischen Kelten und (rechtsrheinischen) Germanen unterschied. Während Poseidonios wohl
     den Germanenbegriff schon vorher eingeführt hat, damit aber einen Volksstamm im Nordosten Galliens meinte, beschreibt Caesar
     auf volkstümliche Art, d. h. mit der Absicht, auf eine breite Öffentlichkeit zu wirken, in seiner Darstellung über den Gallischen
     Krieg
( de bello Gallico
, 58–52 v. Chr.) unter diesem Oberbegriff die Sitten aller Stämme rechts des Rheins.
    Die Beschreibung der Unterschiede zur gallischen Kultur erfolgt aus der Sicht der Kelten. Die Germanen siedelten zwar mehrheitlich
     rechts des Rheins, sie hatten aber bereits vor Caesar begonnen, die keltischen Stämme besonders am Oberrhein (hier die Sueben-Stämmegruppe
     unter Ariovist) und am Niederrhein zu verdrängen. Gerade dort, bei den Belgern, hatten sich Germanen und Kelten schon vermischt.
    Caesars Exkurse über die Germanen stammen aus der Zeit der Gesamtredaktion der Schrift
de bello Gallico
aus dem Jahr 52/51 v. Chr. Inhaltlich sind diese Berichte allerdings bereits in den obligatorischen jährlichen Rechtfertigungsschriften
     Caesars über seine Tätigkeiten als Prokonsul an den Senat seit 58 zugrunde gelegt. Schon die Verhandlungen Caesars mit dem
     Suebenkönig Ariovist im Jahr 58 v. Chr. hatten gezeigt, dass die Germanen eine andere Sprache sprachen als die Kelten.
    |29| Nach den caesarischen Exkursen unterschieden sich die Germanen darüber hinaus vor allem durch das Fehlen einer sesshaften
     Struktur
( oppida )
, an der Herrschaft greifen konnte, und einer Stämme übergreifenden Organisation – generell durch ein Defizit an Infrastruktur
     – von den Kelten. Caesars Ziel war es nachzuweisen, dass der Rhein als Völkerscheide ein sinnvolles Ziel und Ende der Eroberungen
     in Gallien darstellte.
    Gleichwohl werden heute in der Regel die zwei Rheinübertritte der Jahre 55 und 53 v. Chr. als Versuche Caesars interpretiert,
     auch ins rechtsrheinische Gebiet auszugreifen. Caesar selbst aber betont, dass diese Expedition mit dem Bau und der Sicherung
     einer Rheinbrücke dem Zweck der Abschreckung diente, um die Unterstützung für die aufständischen Kelten aus dem germanischen
     Gebiet auszutrocknen. Heute wird Caesar mitunter vorgeworfen, dass er mit dieser Darstellung nur einer missglückten Militäroffensive
     nachträglich einen Sinn zu geben versuchte. 4
    Es sind jedoch auch
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