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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden
Autoren: Boris Dreyer
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konnten die hinter den Wällen wartenden Germanen die Römer, die sich infolge der Engstelle
     nicht zum Kampf formieren konnten, in der Flanke erfassen.
     
     
    Varus oder Caecina?
     
    Manche Forscher halten es für möglich, dass mit dem Fundkomplex in Kalkriese der Zug des Caecina im Herbst des Jahres 15 (vgl.
     S. 60) zu verbinden ist, der auf dem Weg zu den Winterquartieren in Xanten ebenfalls von Arminius’ Koalition angegriffen wurde. 28 Dagegen spricht der Text von Tacitus: Ausgangspunkt des Marsches von Caecina war die Ems (Tac. Ann. 1,63,3): westlich von
     Kalkriese (s. Abb. auf S. 51).
    |132| Der römische Heerbann unter der Leitung von Germanicus war zuvor am Ende der Feldzugsaison zusammen mit der Heeresgruppe des
     Caecina an die Ems zurückgekehrt, um eine vorzeitige Trennung zu vermeiden. Germanicus glaubte, dass – wenn erst einmal beide
     Heeresgruppen an den Ausgangspunkt an der Ems zurückgebracht worden waren – das Risiko für einen getrennten Marsch von dort
     aus ungefährlich wäre. Die
pontes longi
, ein Bohlenweg, von Ahenobarbus erbaut (6 v./1 n. Chr.), lagen westlich der Ems. 29 Ziel war Vetera /Xanten (Tac. Ann. 1,69,1–2). So kam Caecina mit seinem Heerbann in Kalkriese vermutlich nicht
allein
vorbei. Vertreter der Caecina-These müssen jedoch notwendig davon ausgehen, dass die Verbände von Germanicus sich bereits
     vor dem Erreichen der Ems getrennt haben. Dagegen spricht insbesondere, dass der Auftrag des Germanicus an Caecina lautete,
     nicht die
pontes longi
westlich der Ems zu erreichen, sondern diese möglichst schnell hinter sich zu lassen.
     
     
    Zieht Varus nach Osten oder nach Westen in die Katastrophe?
     
    Weiter ist vertreten worden, dass Varus auf dem Weg in die Katastrophe am Ende des Sommers nicht nach Westen zum Winterlager,
     sondern zur Weser nach Osten gezogen ist, ebenso wie Germanicus im Jahr 15 beim Abschreiten der Stätten der Varuskatastrophe. 30 Der mit den geographischen Verhältnissen vertraute und in dieser Hinsicht unbelastete Velleius Paterculus widerlegt allerdings
     diese Ansicht, wenn er zur Tätigkeit des Varus im Jahr 9 n. Chr. konstatiert: 31
    Mit diesem Vorsatz ging er ins Innere Germaniens wie zu Menschen, die sich an der Annehmlichkeit des Friedens freuten, und
     zog die Sommerkampagne
[ trahebat aestiva
] hin mit Rechtsprechen und formvollendeter Verhandlungsführung.
    Das heißt, Varus befand sich im Innern Germaniens und kehrte am Ende des Sommers in die Winterlager, also nach Westen zurück.
     
     
    |133| Wie und wo besucht Germanicus die Varuskampfstätten?
     
    Demnach ist die Zugrichtung des Varus in seine Katastrophe
nach Westen
unumstößlich. Weit entfernte Aufständische haben nach Cassius Dio Varus veranlasst, von dem ausgebauten Marschweg abzuweichen.
     Diesem Bericht zum Trotz hat man es in der Forschung mitunter für unwahrscheinlich gehalten, dass Varus auf einem Weg „quer
     durchs Gelände“ marschiert sei, sich also von den Hauptverkehrswegen hat weglocken lassen. Wahrscheinlicher sei Varus auf
     einem festen Weg, also auf dem „Hellweg“ entlang des Wiehengebirges, in Kalkriese in den Hinterhalt geraten. 32
    Daraus folgt notwendig, dass Germanicus, der im Jahr 15 die Stätten der Varuskatastrophe entlang zog, gegen die Marschrichtung
     des Varus unterwegs war. Der packende Bericht des Tacitus über den Besuch der Varuskampfstätten durch Germanicus im Jahr 15
     ist jedoch geographisch-chronologisch angeordnet: Die Marschrichtung von Varus und Germanicus sechs Jahre danach war also
     dieselbe. 33 Auf diese Weise erhält der Feldzug des Germanicus im Sommer des Jahres 15, zu dem der Besuch der Varuskampfstätten gehörte,
     einen überzeugenden Sinn: Die Strategie zielte auf die Zerschlagung der gegnerischen Koalition. Dazu wurden die Brukterer
     – durch den „Sternmarsch“ der Heeresgruppen zum Treffpunkt an der Ems etwa in der Höhe von Rheine – zuerst von den Bundesgenossen
     im Westen, den Tubanten und Usipetern, abgeschnitten, die sich gegen Germanicus im Jahr 14 auf seinem Zug gegen die Marser
     zusammengefunden hatten (vgl. dazu die Abb. auf S. 51). 34
    Gleichzeitig wurden die westlich der Ems siedelnden „Kleinen Brukterer“ durch den Vorstoß von den östlich der Ems siedelnden
     „Großen Brukterern“ getrennt, indem Germanicus zunächst auf dem linken Ufer der Ems nach Süden und dann nach Südosten bis
     zum Quellgebiet von Ems und Lippe 35 vorstieß und dann über den Osning- bzw. Eggekamm in
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