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Alles Sense

Alles Sense

Titel: Alles Sense
Autoren: Terry Pratchett
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standhalten konnten, glühten Kristalle wie die Augen von Drachen in finsteren Höhlen.
    HAST DU KEINE FREUNDLICHEN EDELSTEINE? fragte der Kunde.
    »Herr, ich werde mir wohl kaum widersprechen, wenn ich darauf hinweise, daß wir bei dem Ankauf von Steinen nicht den Maßstab der Liebenswürdigkeit anlegen«, sagte der Händler. Unbehagen regte sich in ihm, als es ihm auch weiterhin nicht gelang, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Irgendwo tief in ihm verriet eine flüsternde Stimme die Lösung des Problems, aber so sehr er auch horchte: Er verstand keine einzige Silbe. Ein Umstand, der seine Nerven immer mehr belastete.
    WO BEFINDET SICH DER GRÖSSTE DIAMANT AUF DER GANZEN SCHEIBENWELT?
    »Der größte? Oh, diese Frage ist leicht zu beantworten. Du meinst Offlers Träne, im innersten Sanktuarium des Verlorenen Tempels, geweiht dem Krokodilgott Offler. Jene heilige Stätte verbirgt sich im unzugänglichsten Bereich des Wiewunderlands, und was den Diamanten betrifft: Er wiegt achthundertfünfzig Karat. Um deiner nächsten Frage zuvorzukommen, Herr: Ich persönlich wäre bereit, mit ihm ins Bett zu gehen.«
     
    Es hatte gewisse Vorteile, als Priester im Verlorenen Tempel des Krokodilgottes Offler zu arbeiten. Zum Beispiel konnte man fast jeden Nachmittag früh Feierabend machen und nach Hause gehen. Der Grund war einfach: Es handelte sich um einen verlorenen Tempel. Die meisten Gläubigen fanden ihn nicht. Wofür sie eigentlich dankbar sein sollten.
    Die Tradition verlangte, daß sich höchstens zwei Personen im innersten Sanktuarium aufhielten: der Hohepriester und ein anderer, der nicht ganz so hoch war. Schon seit Jahren erfüllten sie hier ihre heilige Pflicht und wechselten sich damit ab, Hohepriester zu sein. Ihr Dienst stellte keine hohen Ansprüche. Der Grund dafür war ebenfalls einfach: Jene wenigen Gläubigen, die den verlorenen Tempel fanden, gerieten in sorgfältig vorbereitete Fallen und wurden aufgespießt, zermalmt, vergiftet oder schlicht und einfach in Stücke geschnitten. Kaum jemand schaffte es bis zur Sammelbüchse und der groben Zeichnung eines Thermometers 21 vor der Sakristei.
    Die beiden Priester saßen am hohen Altar, im Schatten der edelsteinbesetzten Offler-Statue. Sie spielten Leg-Herrn-Zwiebel-rein, als sie in der Ferne das Knarren des Hauptportals hörten.
    Der Hohepriester sah nicht auf.
    »Tja, wieder jemand für die große rollende Kugel«, sagte er.
    Ein dumpfes Donnern erklang, gefolgt von unheilverkündendem Knirschen. Schließlich pochte es, und dann herrschte wieder Stille.
    »Na bitte«, murmelte der Hohepriester. »Äh, wie hoch ist der Einsatz?«
    »Zwei Kiesel«, erwiderte der untere Priester.
    »Hm.« Der Hohepriester betrachtete seine Karten. »Also gut. Deine zwei Kiesel und…«
    Er unterbrach sich, als er das Geräusch von Schritten hörte.
    »Dieser Bursche mit der Peitsche«, sagte der untere Priester. »Kam in der letzten Woche bis zum Bereich mit den vielen Spitzen.«
    In der Ferne schien eine sehr alte und trockene Toilette zu spülen. Die Schritte verharrten.
    Der Hohepriester lächelte.
    »Nun…«, murmelte er. »Deine zwei Kiesel – und noch einmal zwei.«
    Der untere Priester ließ die Karten sinken. »Hab ein Zwiebelpärchen.«
    Der Hohepriester warf einen mißtrauischen Blick auf das Blatt.
    Der untere Priester griff nach einem Zettel.
    »Inzwischen schuldest du mir dreihunderttausendneunhundertvierundsechzig Kiesel«, sagte er.
    Schritte.
    Die beiden Priester sahen sich an.
    »Schon seit einer ganzen Weile kam niemand mehr bis zum Tunnel mit den vergifteten Pfeilen«, meinte der Hohepriester.
    »Ich wette fünf Kiesel, daß er überlebt«, entgegnete der untere Priester.
    »Einverstanden.«
    In der Ferne klickten metallene Pfeilspitzen über Felsen.
    »Du solltest mit deinen Wetten vorsichtiger sein. So leicht verdiente fünf Kiesel…«
    Schritte.
    »Na schön, aber jetzt bekommt er es mit…« – etwas platschte –, »…mit dem Krokodilteich zu tun.«
    Schritte.
    »Niemand hat jemals den gefürchteten Hüter der Pforten passiert…«
    Die beiden wechselten einen erschrockenen Blick.
    »Äh…«, begann der niedrigere Priester. »Du glaubst doch nicht etwa…«
    »Was, hier? Ich bitte dich. Immerhin sind wir hier mitten in einem verdammten Dschungel.« Der Hohepriester lächelte schief. »Nein, das ist völlig ausgeschlossen…«
    Die Schritte kamen näher.
    Die Priester klammerten sich entsetzt aneinander.
    »Frau Kuchen !«
    Das Portal flog auf.
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