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Alles fuer die Katz

Alles fuer die Katz

Titel: Alles fuer die Katz
Autoren: James Herriot
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Ihnen sehr verbunden, Sir. Ich danke Ihnen vielmals. Sie haben mir die Unruhe genommen.« Der große Mann streckte die Hand nach seinem Liebling aus. Doch sein besorgter Gesichtsausdruck strafte den zuversichtlichen Unterton in seiner Stimme Lügen. Als ich sie so zusammen sah, fiel mir erneut die Ähnlichkeit von Mann und Katze auf – Mensch und Tier, jawohl, aber ähnlich eindrucksvoll.
    Eine Woche lang hörte ich nichts von Alfred und nahm an, er sei wieder wie immer, doch dann rief sein Herr an. »Er ist noch ganz genauso, Mr. Herriot. Wenn sich überhaupt etwas verändert hat, dann ein wenig zum Schlechteren. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie ihn sich noch einmal anschauen würden.«
    Es war wie zuvor. Selbst bei genauer Beobachtung war nichts Bestimmtes zu erkennen.
    Ich verschrieb ihm eine Mischung aus Mineralien und Vitamintabletten. Es hatte keinen Sinn, eine Behandlung mit unseren neuen Antibiotika zu beginnen – die Temperatur war nicht erhöht, es gab kein Anzeichen für einen infektiösen Erreger.
    Ich ging jeden Tag diese Straße entlang – sie war nur hundert Meter von Skeldale House entfernt –, und ich gewöhnte mir an, stehen zu bleiben und durch das kleine Fenster in den Laden zu schauen. Jeden Tag bot sich die vertraute Szenerie: Geoffrey verbeugte sich vor seinen Kunden und lächelte, und Alfred saß an seinem Platz am Ende des Ladentischs. Alles schien in Ordnung zu sein, und doch... etwas war anders an der Katze.
    Eines Abends ging ich noch einmal hin und untersuchte ihn. »Er verliert an Gewicht«, sagte ich.
    Geoffrey nickte. »Ja, ich glaube auch. Er frisst zwar immer noch ganz ordentlich, aber nicht mehr so viel wie früher.«
    »Geben Sie ihm noch ein paar Tage mit den Tabletten«, sagte ich, »und wenn es ihm dann nicht besser geht, muss ich ihn zu uns in die Praxis holen und mir die Sache mal genauer anschauen.«
    Ich hatte die scheußliche Vorahnung, dass keine Besserung eintreten würde, und so kam es auch, deshalb nahm ich eines Abends einen Katzenkäfig in den Laden mit. Alfred war so groß, dass es gar nicht einfach war, ihn in das Behältnis zu befördern, aber er leistete keinen Widerstand, als ich ihn sanft hineinbugsierte.
    In der Praxis nahm ich eine Blutprobe von ihm und röntgte ihn. Auf dem Röntgenbild war nichts zu sehen, und als der Bericht aus dem Labor kam, wies er keine Unregelmäßigkeit auf. Auf eine Art war das zwar beruhigend, aber es half nichts, denn der kontinuierliche Abbau setzte sich weiter fort. Die nächsten Wochen waren so etwas wie ein Albtraum. Mein ängstliches Spähen durch das Schaufenster wurde zu einer täglichen Zerreißprobe. Die große Katze saß noch auf ihrem Posten, doch sie wurde zusehends dünner, bis sie kaum noch wiederzuerkennen war. Ich probierte jedes Medikament und jede Behandlung aus, die mir einfielen, aber nichts schlug an. Ich ließ ihn von Siegfried untersuchen, doch er kam zum gleichen Ergebnis wie ich. Die fortschreitende Auszehrung war etwas, was man bei einem Tumor an einem inneren Organ erwarten würde, doch eine neue Röntgenaufnahme ergab wieder keinen Befund. Alfred musste von dem vielen Herumgeschubstwerden, den Tests und dem Durchkneten seines Bauchs gründlich die Nase voll haben, doch er ließ sich nie etwas davon anmerken. Er nahm die ganze Sache so gelassen hin, wie es eben seine Art war.
    Ein zweiter Umstand verschlimmerte die Lage. Geoff selber verfiel nämlich unter der Anspannung. Seine imponierende fleischliche Hülle fiel allmählich von ihm ab, die sonst blühenden Wangen waren bleich und eingesunken und, noch schlimmer, sein dramatisches Verkaufstalent schien ihn verlassen zu haben. Eines Tages gab ich meinen Beobachtungsposten am Fenster auf und zwängte mich in das Getümmel der Damen im Laden.
    Es war eine erschütternde Szene. Geoff, gebeugt und abgemagert, nahm die Bestellungen entgegen, ohne auch nur zu lächeln, füllte die Süßigkeiten teilnahmslos in die Tüten ab und murmelte ein Wort oder zwei. Verschwunden waren die Donnerstimme und das glückliche Plaudern der Kunden, und ein seltsames Schweigen lastete über der Gesellschaft. Es war wie in jedem anderen Süßwarenladen.
    Den traurigsten Anblick jedoch bot Alfred, der immer noch tapfer an seinem Platz saß. Er war unglaublich ausgemergelt, sein Fell hatte jeglichen Glanz verloren, und er blickte mit erloschenen Augen starr geradeaus, als ob ihn gar nichts mehr interessierte. Er war zur Karikatur einer Katze geworden.
    Ich konnte es nicht
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