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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen
Autoren: Daniel Glattauer
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aus, dass wir über das Thema »Busen, ja, nein, groß, klein« ohnehin nicht hinauskommen werden, meine Liebe, meine Beste, meine liebe Beste.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Folgende Gesprächsthemen scheiden für unser Treffen bitte aus:
    1.) Busen und sämtliche andere Körperteile. (Ich möchte nicht über Äußerlichkeiten sprechen, die sehen wir ohnehin.)
    2.) »Pam« (und wie sie sich ihre Zukunft an der Seite von Leo Gefühlskasten Leike im »alten Europa« vorstellt).
    3.) Wie alle privaten und Emmi-fernen Angelegenheiten von Leo Leike.
    4.) Wie auch alle privaten und Leo-fernen Angelegenheiten von Emmi Rothner.
    In dieser einen Stunde soll es bitte, bitte, bitte nichts anderes und niemanden anderen als uns beide geben. Schaffen wir das?
     
    Acht Minuten später
    AW:
    Und worüber wollen wir tatsächlich reden? Viel lässt du ja nicht mehr übrig.
     
    15 Minuten später
    RE:
    Leo, ich glaube, du kriegst es langsam wieder mit der Angst zu tun – mit deiner chronisch schlummernden Emmi-Berührungsangst. Da würdest du dich thematisch schon ganz gern an einem »großen Busen« anhalten können, stimmt’s? Worüber wir reden wollen? – Ist mir egal. Erzählen wir uns Kindheitserlebnisse. Ich werde nicht auf Form und Inhalt deiner Worte achten, nur auf die Art, wie du sie aussprichst. Leo, ich will dich reden SEHEN. Ich will dich zuhören SEHEN. Ich will dich atmen SEHEN. Ich will dich nach einer so langen Zeit enger, vertrauter, verheißungsvoller, gebremster, unaufhörlicher, abgebrochener, erfüllter, unerfüllter Virtualität endlich, ja schlussendlich, eine Stunde wirklich SEHEN. Sonst nichts.
     
    Sieben Minuten später
    AW:
    Ich hoffe, du wirst nicht enttäuscht sein. Denn besonders aufregend SEHE ich nicht aus, weder beim Reden noch beim Zuhören und schon gar nicht beim Atmen. (Ich bin erkältet.) Aber du hast es so gewollt, du hast dir das Treffen gewünscht.
     
    Drei Stunden später
    Betreff: ??
    Habe ich (wieder) etwas Falsches gesagt? Schönen Abend noch. Leo.
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Angst
    Guten Morgen, Emmi. Ja, ich habe Angst. Ich habe Angst, dass die Bedeutung, die ich für dich hatte (und vielleicht zum Teil noch immer habe), mit einem Schlag verloren geht, wenn du mich gesehen hast. Ich glaube nämlich, meine Buchstaben lesen sich auf dem Bildschirm besser, als sich mein Gesicht ansieht, wenn es die Buchstaben spricht. Vielleicht bist du schockiert, an wen du zwei Jahre lang Gedanken und Gefühle verschwendet hast, und welcher Art sie waren. Das hatte ich gemeint, als ich dir gestern schrieb: »Aber du hast es so gewollt, du hast dir das Treffen gewünscht.« Ich hoffe, du verstehst mich jetzt. Wenn du nicht mehr antwortest: Bis morgen. Leo.
     
    Fünf Stunden später
    RE:
    Ja, ich verstehe dich jetzt, du hast dich wirklich schön klar ausgedrückt. Dir ist es bei unserem »Uns« schon immer und bis heute ausschließlich darum gegangen, welche Bedeutung DU für MICH haben könntest. Daran misst du nämlich die Bedeutung, die ICH für DICH habe. Das heißt: Bedeutest du mir viel, bedeute ich dir etwas. Bedeutest du mir wenig, bedeute ich dir nichts. Klar, dabei bin ich für dich physisch verzichtbar, dafür musst du mich nicht eigens treffen, und deshalb hält sich deine Begeisterung auch in Grenzen, es nun gezwungenermaßen doch noch zu tun. Denn wer und was ICH wirklich bin, war und ist für dich bedeutungslos. Aber, Leo, was deine Angst betrifft, kann ich dich beruhigen: Deine Bedeutung für mich ist auf dem besten Wege, schon vor dem Treffen verloren gegangen zu sein (auch wenn das jetzt kein deutscher Satz war). Da kannst du aussehen, wie du willst, mein Bester.
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Am besten, wir lassen das Treffen, meine Beste.
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Ja, lassen wir es. Am besten, du aktivierst gleich wieder deine Abwesenheitsnotiz, mein Bester.
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Meine Schuld. Ich hätte dir nach Boston niemals antworten dürfen.
     
    Eine Minute später
    RE:
    Meine Schuld. Ich hätte dir niemals schreiben dürfen, dass auf Top 15 um drei Uhr morgens Licht brennt. Was geht mich dein Licht an? Übrigens, damit du deine Bedeutung für mich nicht allzu sehr überschätzt: Ich bin damals nur zufällig mit dem Taxi vorbeigefahren.
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Mein Licht geht dich zwar tatsächlich nichts an, aber ich habe sehr fein von dir gefunden, dass du mit mir Strom sparen wolltest. Übrigens, auch wenn es für unsere Situation
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