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Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Titel: Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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ihrer Scheingefechte mit Worten aus. Den Winter über hatte es nervtötend viele derartige Gespräche gegeben, die absichtlich dann begannen, wenn die beiden wussten, dass Alissa in der Nähe war. Jeder glaubte, er werde derjenige sein, der Alissa schließlich heiratete. Die Spannungen zwischen den beiden Männern waren so stark und gut verborgen wie die stärkste Strömung eines tiefen, schnellen Flusses.
    Strell lachte glucksend. »Des Reichtums wegen heiraten? Das tun wir nicht freiwillig. Aber vielleicht verstehen wir die Liebe umso besser, weil wir sie meist unerwidert erleben.« Er hob die Axt und ließ sie kaum eine Handbreit neben Lodesh niedersausen. Der gut gekleidete Bewahrer fuhr zusammen und warf Strell einen scheelen Blick zu. Er presste die Lippen aufeinander, als er ein weiteres dickes Stück Holz auf den Block stellte, und ließ kühn die Hand darauf liegen.
    Die Axt hob sich erneut. »Ich weiß ganz sicher, dass sie mich heiraten wird, wenn es darauf ankommt«, sagte Strell und schwang die Axt. Dunk. »Ich habe ihr öfter das Leben gerettet, als ein Bettler Hunger leidet.« Dunk. »Höfische Manieren und schöne Worte, die mit der Morgensonne dahinschmelzen, lassen eine Frau so etwas nicht vergessen.« Dunk. Strell machte eine Pause, stützte sich auf den Axtstiel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war kalt, und Dampf stieg von seinen nackten Schultern auf.
    Lodesh fegte sich ein Stück Rinde vom Ärmel und richtete sich auf. »Sie braucht deinen Schutz nicht, Pfeifer«, sagte er, und Alissa fühlte Dankbarkeit in sich aufsteigen. Diese verpuffte augenblicklich, als er hinzufügte: »Nicht, solange Talo-Toecan auf sie aufpasst. Schüttle dir den Sand aus den Ohren, und hör gut zu. Eine Frau will einen Mann, der ihren Körper und ihre Seele bewegen kann. Einen Mann mit Macht, mein Freund aus der Wüste.« Er grinste, doch sie sah den Ernst in seinen grünen Augen.
    »Macht?«, schnaubte Strell ein wenig keuchend. »Als ich das letzte Mal in deiner Stadt war, war sie menschenleer. Und falls du damit deine Fähigkeiten als Bewahrer meinst – neben ihr siehst du trotzdem aus wie ein Gemeiner, mein toter Freund.« Strell hieb die Axt in den nächsten Scheit.
    »Ich bin nicht tot«, widersprach Lodesh ein wenig verletzt, während er den nächsten Holzklotz bereitlegte.
    Ächzend vor Anstrengung schwang Strell die Axt. »Du bist aber auch nicht ganz lebendig«, entgegnete er.
    »Ich werde dich lange überleben«, sagte Lodesh, und Alissa richtete sich auf, weil sie fürchtete, dass der Stadtvogt nun die Grenze überschritten hätte. Doch Strell lachte, ließ die Axt im Holz stecken und schob mit dem Fuß die Splitter am Boden zusammen. Obwohl ihre Worte gelassen waren und ihr Verhalten höflich blieb, war nicht zu übersehen, dass ihre unterschwellige Konkurrenz härter geworden war.
    Immer noch keuchend, starrte Strell Lodesh an. »Die zusätzlichen Jahre, die dein Fluch dir verschafft, werden nichts mehr bedeuten, wenn Alissa mich erst geheiratet hat, und das wird sie.« Er riss die Axt aus dem Holz. »Die Liebe reicht weit über das Grab hinaus. Deine geduldige Warterei wird dir nichts nützen.«
    Zorn flackerte in Lodeshs Miene auf und verschwand sofort wieder. Er richtete sich zu voller Größe auf und strich sich das Haar unter seinem eleganten Hut glatt. »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf, als wolle er einem Kind etwas erklären. »Trotz ihres menschlichen Ursprungs ist Alissa ein Raku. Rakus leben in der Gegenwart. Wenn du erst fort bist, wird sie dich vergessen.« Seine Haltung veränderte sich, wurde plötzlich lockerer. »Aber ich mache dir einen Vorschlag. Wir wechseln uns ab, wenn du möchtest. Ich bekomme sie die ersten fünfzig Jahre. Danach kannst du sie die nächsten fünfzig Jahre haben.«
    Alissa entschlüpfte ein unterdrückter Laut der Empörung.
    »Bau dein Zelt ab, und lass dich davonwehen«, sagte Strell kichernd. »Ich bekomme sie die ersten fünfzig Jahre. Das Danach kann mir schließlich egal sein.«
    Sie straffte die Schultern. Zornig trat sie vor, und ihre Schritte knirschten auf dem Kies, den Nutzlos erst diese Woche erneuert hatte. Die Männer wirbelten zu ihr herum. Lodesh fand als Erster die Sprache wieder und strich sich hastig die kurze Bewahrerweste glatt. »Alissa? Darf ich dir die Eier abnehmen?«
    Sie schob sich zwischen den beiden hindurch, und ihre Laune verschlechterte sich weiter, als sie über die verstreuten Holzsplitter stolperte. Sie
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