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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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Rheinlinie.
    »Prima Idee !« , sagte ich, »mal sehen, ob unsere Großeltern uns mitnehmen dürfen.«
    Katja verzog den Mundwinkel leicht schmollend und blätterte weiter in den Prospekten. Zoo, Brauerei, völkerkundliches Museum. Mein Kommentar war jedes Mal ein entschiedenes Kopfschütteln.
    »Also schön«, maulte Katja nach einer Weile rum, »dann mach einen besseren Vorschlag, wo der Betriebsausflug hingehen soll .«
    »Ins Landeskrankenhaus.«
    Dieser Vorschlag war durchaus ernst gemeint. Katja war noch nie in den zweifelhaften Genuss eines heiteren Tages
    im Kollegenkreise gekommen. Jeder Außenstehende glaubt bei unserem Anblick ohnehin, die Psychiatrie mache einen Ausflug. Wenn es nach mir ginge, sollten sie uns lieber einen zusätzlichen freien Tag bei vollem Lohnausgleich geben und einen Bildschirmschoner mit Bahamas-Motiven installieren. Davon hätte jeder in der Abteilung entschieden mehr. Vergangenes Jahr hat die Firmenleitung zwei Pferdedroschken gemietet und eine Kutschpartie durch den Westerwald veranstaltet. Herr Kampatzky von der Buchhaltung ist dabei besoffen vom zweiten Wagen gefallen. Den Verlust haben wir erst am Ziel bemerkt. Und das war noch einer der eher angenehmen Zwischenfälle. In »normalen Firmen« knutschen auf Ausflügen die sternhagelvollen Damen aus dem Sekretärinnenghetto mit den bis oben hin abgefüllten Herren aus der Chefetage auf irgendwelchen Kneipentoiletten. Bei Betriebsfeiern setzt man sich mit nacktem Hinterteil auf den Fotokopierer und lässt sich vervielfältigen. Bei uns ist das anders. Fotokopierer sind was für mittelständische Unternehmen. In einer Online-Redaktion werden digitale Videofilme von den nackten Eskapaden der Mitarbeiter gedreht und anschließend bei eBay versteigert.
    Katja beugte sich verschwörerisch zu mir, schaute sich sicherheitshalber noch einmal um und fing dann an zu flüstern:
    »Ich hab gehört, die Rempelmann soll es auf der Weihnachtsfeier mit dem Umberto von der Programmdirektion getrieben haben .«
    Ich zog die dritte Schreibtischschublade auf und reichte Katja wortlos eine Videokassette.
    »Das Gebot steht bei 73 Euro .«
    Schockiert bat sie mich, das Band übers Wochenende ausleihen zu dürfen. »Verstehe«, sagte sie, »Betriebsfeiern und Firmenausflüge. Gefährlich!«
    Ich nickte. In mir keimte die Hoffnung auf, das Thema könnte für dieses Jahr vom Tisch sein, wenn Katja es nicht mehr ansprach.
    Schon am folgenden Tag verdarb mir ein quietschroter Zettel an unserem schwarzen Brett die Hoffnung.
    Betriebsausflug, am Samstag, dem 25.
    Verziert war das Omen mit lustigen Motiven aus dem Windings-Clip-Art-Programm. Piktogramme von Radfahrern ließen Böses ahnen. Wie sich herausstellte, hatte sich unser neuer Abteilungsleiter, Herr Bartholomäus, des Ereignisses angenommen. Er war auf die geniale Idee gekommen, eine Fahrradtour zu machen. Wahrscheinlich hatte er auf der Suche nach firmeninternem Material bei eBay zufällig eine Tour-de-France-DVD ersteigert und sich heimlich nachts zu Hause im Bett in seinem rosa Trikot gewälzt. Sollen die nur fahren, dachte ich. Ich werde schön gemütlich daheim bleiben und mir keine Witzchen à la »Na, Mädels, bei euch sollte man wohl besser den Sattel abschrauben« anhören. Dummerweise machte mir ein Memo am selben Nachmittag einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Tag des Betriebsausfluges als normaler Arbeitstag behandelt würde. Wer an der Tour nicht teilnehmen wolle, müsse einen Tag Urlaub einreichen. Wie ungerecht. Da musste man doch was tun! Mein Anruf bei der Gewerkschaft brachte allerdings nichts weiter als Ernüchterung. Ein Betriebsrat ließe sich unmöglich bis zum kommenden Samstag gründen. Keine Chance. Also blieb mir nur noch, eine Großpackung Valium zu besorgen und mich meinem Schicksal zu ergeben.
    Am folgenden Sonnabend, pünktlich um neun Uhr früh, traf sich die Abteilung zu unserer ganz persönlichen Tour de Force. Sechs Männer und fünf Frauen. Und meine Kollegen machten alle den Eindruck, als säßen sie nicht zum ersten Mal auf einem Fahrrad. Ich war von zu Hause die knappen 500 Meter bis zum Treffpunkt geradelt, und mir tat jetzt schon der Hintern weh. Seit ich erfahren hatte, dass ich meine Netzkarte für die U-Bahn von der Steuer absetzen kann, war ich nicht mehr im Training. Die anderen interessierte das anscheinend überhaupt nicht. Sie waren vielmehr damit beschäftig zu vergleichen, wer wie viele Butterbrote mit
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