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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Autoren: Sven Koch
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Geiselnehmer, der sich in einem Ausnahmezustand befinden dürfte. Zunächst hatten wir angenommen, in seinen Sporttaschen befände sich Sprengstoff. Sie waren aber randvoll mit Spielzeug.«
    Der Geiselnehmer und der Teddy. Die Geschenke des Teufels. Was für ein Titel.
    »Daraus schließen wir, dass er den Kindern vermutlich nichts tun will. Der Mann ist fünfunddreißig Jahre alt, heißt Joachim Roth, stammt aus dem Nachbarort und leidet unter paranoider Schizophrenie, die offenbar nur leidlich behandelt wurde. Er ist mehrfacher Backgammon-Meister seines Clubs und hat den halben Hof seines Vaters beim Glücksspiel verzockt. Roth gilt als intelligenter Einzelgänger. Sein Vater ist Jäger und Hobbyschütze. Unser Mann hat also Zugang zu Schusswaffen, und er hat im Kindergarten einer Erzieherin eine Waffe gezeigt. Sie hält sie für echt. Seit wir Kontakt über Funk haben, wissen wir, was er will. Die Stimmung ist noch friedlich. Bisher quengeln nur ein paar Kinder, weil sie nicht rausdürfen. Aber es geht auf Mittag zu. Sie werden sich fragen, warum ihre Eltern sie nicht abholen. Die Lage könnte unseren Geiselnehmer, die Erzieherinnen und die Kinder schnell überfordern und außer Kontrolle geraten. In dem Raum befinden sich über fünfzig Personen! Der Stressfaktor ist immens. Ein Zugriff scheidet aus, denn es ist nicht auszuschließen, dass er ein Kind als Schutzschild nimmt oder wahllos zu schießen beginnt. Die Scharfschützen haben keine Chance, weil Roth die Jalousien heruntergelassen hat. Wir können auch niemanden einschleusen, weil er das sofort durchschauen würde. Wir schließen aus, dass Roth mit Argumenten zur Aufgabe zu bewegen ist. Wir müssen also auf ihn eingehen. Und jetzt kommen Sie ins Spiel, Kraft.«
    Marcus reichte Marlon eine Tasse Kaffee. Er trank einen kräftigen Schluck. Als Marcus eine Zigarette folgen ließ, war Marlon klar, dass das italienische Frühstück nicht als Aufmerksamkeit, sondern zur Beruhigung gedacht war.
    »Unser Täter«, fuhr Schwartz fort, »kennt Sie. Er ist Krimi-Fan, wohl deswegen verfolgt er Ihre Tätigkeit und liest Ihre … Texte.«
    Tätigkeit? TEXTE? Mistkerl.
    »Jedenfalls hat er uns seine Forderungen genannt, und dazu gehört, dass er mit Ihnen sprechen will. Er hat ein Pamphlet verfasst, in dem es um staatliche Manipulation beim Lotto geht, die dazu dient, Spieler wie ihn abzuzocken, damit neue Kreisverkehre gebaut werden können.«
    Einige Polizisten lachten kurz auf.
    »Roth fordert, dass seine Erkenntnisse um zwölf Uhr in den Nachrichten gesendet werden. Wir haben also noch vierzig Minuten. Sobald er das in seinem Kofferradio gehört hat, will er sich stellen. Sie sollen sein Dokument verlesen, weil er Sie für einen neutralen und vertrauenswürdigen Journalisten hält. Er weiß es ja nicht besser …«
    Wieder Gekicher.
    »Das wird kein Sender mitmachen«, stellte Marlon fest.
    »Doch«, antwortete Schwartz. »Radio 107 , 7 . Der Lieblingssender unseres Täters. So etwas lässt sich doch keiner von euch entgehen, und ich bin mir sicher, dass Sie ebenfalls nicht widerstehen können. An Ihre moralische Verpflichtung zu appellieren halte ich ohnehin für zwecklos.«
    »Und wenn ich ablehne?«, fragte Marlon. »Sie wissen, dass ich das nicht machen darf. Seit der Gladbecker Geiselnahme gibt es einen Zusatzpassus im Presserecht. Ich darf mich nicht aktiv in die Polizeiarbeit …«
    »Ersparen Sie mir Ihre Belehrungen, Kraft. Und damit Sie beruhigt sind: Sie sind offiziell gedeckt. Ich stehe dafür ein«, unterbrach ihn Schwartz, dem der Hinweis sichtlich schwer über die Lippen kam.
    »Und wenn ich es trotzdem nicht mache?«
    »Dann muss ich ›bitte‹ sagen.«
    Ein sarkastisches Lächeln umspielte Marlons Lippen. »So weit müssen wir es ja nicht kommen lassen.«
     
    Die Pflaster ziepten an den Haaren von Marlons Oberkörper, als er die Bäckerei verließ. Marcus hatte ihn verkabelt und ihm kurz die Technik erläutert. Ein hochempfindliches Mikrofon klebe auf seiner Brust, über den Knopf in seinem Ohr werde die Leitstelle mit ihm Kontakt halten. In den Bügel des Hörers sei eine Mini-Kamera mit Restlichtverstärker integriert. Er brauche sich keine Sorge über die Reaktion des Geiselnehmers machen, der wisse, dass er mit ihnen verbunden sei.
    Marlon schlug das Herz bis zum Hals. Die Story würde alles übertreffen. Das war der Stoff, der Preise gebiert. Und wenn es gutging, würde er am Ende als Held dastehen.
Neue-Westfalenpost-Reporter befreit Kinder
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