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Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum
Autoren: E Spindler
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so lebhaft gewesen und hatte sie so plötzlich überfallen, dass sie sich jetzt einsam und leer fühlte. Tränen brannten ihr in den Augen. Sie sehnte sich nach ihrer Mutter, nach Washington und ihrer schönen Wohnung. Ihr fehlte das Gefühl, geborgen und umhegt zu sein.
    Die Tür ging auf, und Lorena steckte ärgerlich den Kopf herein. „Willst du den ganzen Tag hier drin bleiben oder was? Die Kunden an deinen Tischen warten.“
    Julianna nickte und eilte ins Lokal zurück.
    Der Rest des Tages verging quälend langsam. Nachdem der mittägliche Ansturm vorüber war, merkte Julianna, wie sehr ihr Füße und Rücken schmerzten. Sie war todmüde.
    Sie füllte mit den anderen Frauen die Gewürze an den Tischen auf, wischte die Platten sauber und stellte die Stühle hoch. Busters schloss um drei. Zum Dinner zu öffnen wäre Zeit- und Geldverschwendung. Dieser Teil des Geschäftsviertels wurde nach 17 Uhr, wenn die Anwaltskanzleien und andere Büros schlossen, zum Friedhof.
    Am Gespräch ihrer Kolleginnen beteiligte sie sich nicht. Sie merkte, dass die anderen über sie redeten, ignorierte sie jedoch und konzentrierte sich auf ihre Arbeit, um schnell heimgehen zu können.
    Endlich waren alle Vorbereitungen für den nächsten Tag getroffen, und sie hatte ihre Zeitkarte gedrückt. Als sie sich der Tür näherte, vertrat Lorena ihr den Weg. Die anderen drei Kellnerinnen stellten sich hinter Lorena und flankierten sie mit zornigen Gesichtern. „Nicht so schnell, Prinzessin. Wir haben ein Hühnchen mit dir zu rupfen.“
    Julianna blieb stehen und sah nervös von einer zur anderen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
    Lorena, die offenbar zur Wortführerin erkoren war, trat vor. „Kann man wohl sagen. Uns reicht’s mit dir. Du hältst dich für was Besseres, aber uns stinkt’s, dauernd für dich einspringen zu müssen, weil du deinen faulen Hintern nich’ in Bewegung kriegst.“
    Die Feindseligkeit der Frau ließ Julianna erschrocken zurückfahren. Sie blickte vergeblich über die Schulter nach Buster.
    „Wieso bildest du dir ein, was Besseres zu sein als wir?“ Lorena trat noch einen Schritt vor, die anderen Frauen folgten. „Nur weil du dich hast anbumsen lassen, glaubste wohl nich’ mehr arbeiten zu müssen? Denkste, als gefüllte Taube biste was Besonderes?“
    Suzi, eine andere Bedienung, streckte einen Finger mit blutrot lackiertem Nagel nach ihr aus. „Wenn du zu spät kommst, müssen wir deine Tische mit übernehmen. Das heißt, wir arbeiten uns halb tot und kriegen kaum Trinkgeld dafür.“
    „Und das haben wir satt“, betonte Jane.
    „Ich habe verschlafen“, erwiderte Julianna steif. „Mein Gott, ich habe das doch nicht mit Absicht gemacht.“
    Das war offenbar nicht die Antwort, die sie hören wollten. Zornige Röte überzog Lorenas Gesicht. Sie sah aus wie ein Ballon kurz vor dem Platzen. „Ich hab ’ne Frage an dich, Prinzessin, die uns alle interessiert. Wenn du so hochwohlgeborenbist, warum arbeiteste dann in so ’nem Schuppen? Und wenn du so was Besonderes bist, wo is’ dann dein Alter? Warum hat er dich sofort sitzen lassen, als du ’n Kind kriegtest?“
    „Yeah“, pflichtete Suzi bei, „oder weißte gar nich’, wer der Vater is’?“
    „Jede Wette, sie weißes nich’“, höhnte Jane, ehe Julianna sich verteidigen konnte. „Sie is’ nur ’ne kleine Nutte, die gern die Nase hoch trägt.“
    Lorena lachte. „Du bist bedauernswert, weißte das? Du tust mir Leid – uns allen.“ Nach Kaugummi und billigem Parfum riechend, beugte sie sich zu Julianna vor und prophezeite: „Ihr schafft es nich’, niemals, du und dein kleiner Balg. Kommt, Mädchen.“
    Damit drehten sich die drei um und verließen das Lokal.
    Julianna sah ihnen durch einen Tränenschleier nach. Beschämt und gedemütigt, legte sie die Hände auf ihren Bauch. Wurde sie so von ihrer Umwelt gesehen, als bemitleidenswerte Frau ohne Zukunft? Das traf sie bis ins Mark.
    Sie schloss die Au gen und dachte an Washington, an die eleganten Restaurants, in denen sie täglich gespeist hatte, an die Schönheitssalons, wo sie Massagen, Gesichtsbehandlungen und Maniküren bekommen hatte, an ihr schönes Apartment und an ihre Kleiderschränke voll mit teuren Sachen.
    Doch am intensivsten dachte sie an John und legte zitternd eine Hand an den Mund. War er wirklich so ein Monster, wie ihre Mutter gesagt hatte?
    Aus der Küche hörte sie Buster und den Koch die letzten Arbeiten erledigen, um für heute zu schließen. Damit die zwei ihre
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