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Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum
Autoren: E Spindler
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mit der sie ihre Schwangerschaft, das Erwachsensein und ihre Zukunft betrachtete.
    Seufzend sank sie zu Boden und legte den Kopf gegen die Badezimmertür mit dem gesprungenen Holzimitat. Inzwischensah sie klar. Die Zukunft machte ihr Angst, fast noch mehr als ihre Vergangenheit.
    Sie schloss wieder die Augen und dachte noch einmal an die letzte Nacht mit John.
    Sie hatten zusammen auf dem Bett gelegen, die Gesichter einander zugewandt, und leise miteinander geredet. John hatte sich interessiert erkundigt, was sie während seiner Abwesenheit so alles gemacht hatte, und sie erzählte ihm ausführlich von dem Aquarellkurs, den sie besuchte, und ihrer Jazztanzgruppe. Dabei wollte sie eigentlich lieber über ihre Schwangerschaft reden.
    John hörte so aufmerksam zu, als wisse er genau, dass sie ihm etwas vorenthielt. Er beobachtete sie, und sie wurde nervös. Er kannte sie so gut wie niemand sonst.
    Sag’s ihm einfach. Plapper drauflos – dass du die Pille absichtlich nicht mehr genommen hast, dass die Regel ausgeblieben ist, dass du beim Arzt warst und einen Urintest gemacht hast. Erzähl ihm von deiner Freude.
    Nein, noch nicht, dachte sie in einem Anflug von Panik. Noch nicht.
    „Wie war deine Reise?“ fragte sie stattdessen. „Erfolgreich.“
    „Wo bist du gewesen?“
    Er sah sie nur an. Es gab diese Regel zwischen ihnen, dass sie ihn nicht nach seinem Beruf fragen durfte. Julianna wusste, dass er für den Staat arbeitete, für die CIA oder eine ähnliche Behörde. Und sie wusste, dass seine Arbeit geheim war, aber mehr auch nicht.
    Lange Zeit hatte ihr das genügt. Es war ihr gleichgültig gewesen, was er tat. Doch seit neuestem wurde sie neugierig. Sie war frustriert und verärgert wegen seiner Geheimnistuerei. Siefühlte sich von seinem Leben ausgeschlossen und langweilte sich in ihrem.
    Obwohl sie wusste, dass es ihm nicht gefallen würde, hatte sie begonnen, herumzuschnüffeln. Einmal, als er nach der Rückkehr von einer Reise gerade unter der Dusche stand, hatte sie mit hämmerndem Herzen seine Reisetasche und seine Jackentaschen durchsucht.
    Beim ersten Mal hatte sie nichts Verdächtiges entdeckt, doch seit damals fielen ihr immer wieder Dinge in die Hand, die nicht zusammenpassten. In seiner Manteltasche fand sie einen geöffneten Brief, der nicht an ihn adressiert war und auch nur einen unverständlichen Satz enthielt. In seiner Reisetasche befand sich ein entwertetes Flugticket auf den Namen Mr. Wendell White nach Kolumbien, ein Land, in dem er angeblich nie gewesen war.
    Der Erfolg machte sie kühner.
    Wenn John nicht in der Stadt war und die allein verbrachten Nächte endlos schienen, fuhr sie heimlich in seine Wohnung und durchsuchte sie. Jede Schublade, jedes Möbelstück und jede Bodendiele klopfte sie nach Geheimverstecken ab, sah hinter jedes gerahmte Foto und hinter jedes Gemälde. Sie hatte sogar in der Tiefkühltruhe nachgeschaut und tatsächlich Erfolg gehabt. Zwischen zwei gefrorenen Fleischstücken, eingewickelt in weißes Fleischerpapier, entdeckte sie ein in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch mit Spalten voller Daten und kodierten Einträgen.
    Erst da ging ihr auf, warum John nie von seiner Arbeit sprach, warum er nie Kollegen erwähnte. Warum er in die ganze Welt flog und nie eine Nummer hinterließ, unter der er zu erreichen war.
    John ist ein Spion!
    Ängstlich hatte sie damals rasch das Notizbuch in sein Versteck zurückgelegt.
    „Ich muss morgen wieder weg, Julianna.“
    Sie stützte sich auf einen Ellbogen. „Aber du bist doch gerade erst gekommen.“
    „Ich habe noch etwas zu erledigen. Tut mir Leid.“
    „Wie lange bist du diesmal weg?“
    „Ich weiß nicht. Eine Woche, zwei. Vielleicht einen Monat. Hängt davon ab, wie sich der Auftrag entwickelt.“
    „Dann sag mir zumindest, wohin du fährst.“
    „Das kann ich nicht, wie du weißt.“
    Natürlich wusste sie das, aber das machte es nicht einfacher. Schmollend drehte sie ihm den Rücken zu.
    „Sei nicht so“, schalt er. „Du bist zu gut, um dich so aufzuführen.“
    Sie sah ihn über die Schulter wütend an. „Aber ich langweile mich so, wenn du weg bist. Ich habe nichts zu tun, und ich bin einsam!“
    „Vielleicht hilft das.“
    Er hatte das Jackett neben das Bett geworfen und zog nun aus dessen Tasche ein blaues Samtkästchen, das er ihr reichte.
    „Für mich?“ fragte sie erfreut.
    „Für wen sonst?“ erwiderte er lächelnd. „Mach es auf.“
    Sie setzte sich hin, nahm ihm eifrig das Kästchen ab und
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