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Agnes und der Engel

Agnes und der Engel

Titel: Agnes und der Engel
Autoren: Anne Lay
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schaffen?“
    Nachdem der Handelsherr mit einer Geste seine Zustimmung bekundet hatte, trug der Diener gemeinsam mit Agnes den Zuber hinaus, in dem noch ein kleiner Rest Wasser schwappte.
    Als sie ihre Last abgestellt hatten, schaute sich Agnes vorsichtig um. „Wie kommt es, dass ein Engel mit einem Diener reist?“
    „Wie bitte?“ Vollkommen verblüfft starrte der Diener sie an. „Wie nennst du meinen Herrn?“
    „Er ist ein Engel, er ist zurückgekehrt, nachdem er mir vor über zwanzig Jahren das Leben gerettet hat. Ich habe ihn an dem Strahlen erkannt und an seiner Sprache.“
    „Du hast was?“
    „Vorhin, als er am Fenster stand... Sein Kopf war umgeben von einem Strahlenkranz... und dann die Sprache...“
    „Die Sprache“, verwirrt starrte der Diener auf die Magd.
    „Damals hat er jünger ausgesehen, aber ich war ja auch noch jung und Schutzengel passen doch immer zu ihren Menschenkindern. Er hat genau so gesprochen, wie heute Abend, als der Blitz sein Leuchten offenbart hat. Ist er... seid Ihr gekommen, damit sich mein Wunsch erfüllt und ich endlich ins Kloster eintreten kann?“
    „Du willst ins Kloster?“
    „Ja, seit langem ist es mein sehnlichster Wunsch, weg von den grölenden Männern in der Wirtsstube, den Gästen, denen ich beim Baden behilflich sein muss.“ Sie schüttelte sich.
    „Wieso sagte die Wirtin, du seist stumm?“ Verwirrung mischte sich mit Misstrauen.
    „Der Engel hatte mir doch befohlen, still zu sein. Daran habe ich mich gehalten, bis heute, bis er zurückgekehrt ist.“
    Dem Diener schwirrten verschiedene Gedanken durch den Kopf. War sie eine Gefahr, würde sie seinen Herrn gefährden? Oder war sie nur einfältig?
    „Hast du mit der Wirtin über meinen Herrn gesprochen?“
    „Nein!“ Entschieden richtete Agnes sich auf. „Ich hatte das Gefühl, dass es nicht Recht ist“, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu.
    „Du willst also fort von hier?“
    „Ich möchte nach Hohenholte. Meine Mutter hat immer vom Kloster erzählt und dass ihre Schwester dort lebt.“
    „Du willst also zu den Augustinerinnen?“
    „Ihr kennt das Kloster?“
    „Wir treiben Handel mit Leinen und Wollstoffen, auch mit dem Kloster.“
    „Dann könnt Ihr mir helfen?“
    Nach kurzem Überlegen nahm der Diener Agnes am Ellbogen. „Komm.“
    Leise schlichen die zurück in die Kammer.
    „Meneer, luister naar me, wat deze vrouw te zeggen heeft.“
    Agnes fuhr zu dem Diener herum. „Ihr beherrscht die Sprache der Engel?“
    Hinter ihr räusperte sich der Handelsherr. „Wir sind uns damals begegnet, außerhalb der Ortschaft.“ Seine Sprache war akzentgefärbt.
    „Ja“, mit vor Eifer gerötetem Gesicht wandte sich Agnes ihm zu. „Ihr habt mir befohlen, still zu sein und ich habe mich daran gehalten - all die Jahre.“
    „Ich habe dir damals einen Rat gegeben. Das Geschrei im Ort hast du damals auch gehört, nicht wahr? Ich wollte nicht, dass dir etwas geschieht.“
    „Ja, ich habe mich versteckt und bin erst zurück zum Tor, als es ruhig war. Die Landsknechte waren fort. Überall lagen die Toten. Damals habe ich geschworen, nie wieder ein Wort zu sagen.“
    „Du hast über zwanzig Jahre nicht gesprochen?“
    „Kein Wort - bis heute.“ Stolz klang in Agnes Stimme mit. Doch dann wurde ihre Haltung wieder unterwürfig. „Könnt Ihr mir noch einmal helfen, mir meinen Herzenswunsch zu erfüllen?“
    Der Handelsherr musterte sie nachdenklich und kam einige Schritte näher. „Was kann ich für dich tun?“
    „Ich wünsche mir so sehr, in das Kloster Hohenholte eintreten zu dürfen. Aber mittellos, wie ich bin, lässt mich meine Herrschaft nicht ziehen und die edlen Frauen würden mich nicht aufnehmen.“
    „Also brauchst du Geld, um dich hier freizukaufen und dort deinen Eintritt zu finanzieren?“
    „Ja, Herr.“
    Atemlos hielt sie dem Blick des Herren stand, der sie noch immer abwägend betrachtete.
    „Das Wichtigste ist, dass du kein Wort über uns verlierst. Wirst du schweigen?“
    „Ich tue alles was Ihr wollt!“
    Wieder fiel Agnes vor ihm auf die Knie und stammelte Worte des Dankes.
    Als sie gegangen war, machte der Herr Anstalten, sich zu Bett zu begeben.
    Sein Diener ging ihm zur Hand und wagte schließlich zu fragen: „Was werdet Ihr tun?“
    „Schlafen gehen, was sonst?“ Der barsche Ton zeigte deutlich an, dass der Händler keine Antwort auf die eigentliche Frage geben wollte. Ihn selbst beschäftigte das unerwartete Wiedersehen jedoch. War es Gottes Wille, der seinen Weg
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