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Achtzig Gedichte

Achtzig Gedichte

Titel: Achtzig Gedichte
Autoren: Georg Trankl
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Knaben, der, erfüllt von
Haß und Wollust
einem Kind Gewalt antut.
Zwei Wölfe im finsteren Wald/Mischten wir unser Blut in steinerner Umarmung
, heißt es im Gedicht
Passion.
Ein dämonisches Tier ist auch der Rappe, wie er etwa im Gedicht
Landschaft
erscheint – so ist es klar, warum der Knabe Sebastian ihn aufhalten will:
Da er steinern sich vor rasende Rappen warf …
Auch dieser Zeile wieder entspricht ein biographisches Faktum. Ein Repräsentant bedrohlicher männlicher Sexualität ist vor allem der Jäger, der inso vielen Trakl-Gedichten auftritt:
Da ich ein wilder Jäger aufjagte ein schneeiges Wild …
Das Gedicht
Herbstseele
beginnt mit der äußerst verknappten Formel:
Jägerruf und Blutgebell.
Der Herbst ist nicht nur die Zeit des Verfalls, die Zeit der Ernte – er ist auch die Zeit des Jägers, eine gefährliche Zeit für das
sanfte Wild
, für alle weiblichen Geschöpfe im poetischen Universum Trakls.
    Aus dieser Welt der geschlechtlichen Entgegensetzung, dieser von den Dämonen des Blutes beherrschten, dieser gehaßten und häßlichen Welt träumt sich der Dichter in eine andere, eine schöne, friedvolle: zurück in einen paradiesischen Zustand vor dem Sündenfall, zurück in die
blaue Höhle
unschuldiger Kindheit, zurück in das Wasser. In dieser ozeanischen Welt lodert keine Höllenflamme, hier ertönt kein dämonisches Geheul: ein Wohllaut ist zu vernehmen,
sanfter Gesang der Kindheit.
Oder er träumt sich vorwärts in einen
Frühling der Seele
, den er an seinem Herbstabend erhofft, jenseits der Winternacht, vorwärts in eine jenseitige Welt, in der geschlechtslose Engel wohnen:
Aber strahlend heben die silbernen Lider die Liebenden:/EIN Geschlecht./Weihrauch strömt von rosigen Kissen/Und der süße Gesang der Auferstandenen.
    Herbstseele:
die herbstliche Landschaft der Gedichte Trakls ist eine Seelenlandschaft. Es ist die innere Welt Trakls, die sich in seinen Gedichten spiegelt, das Drama seiner Seele, nicht das seiner äußeren Lebensgeschichte. Deren weitere Stationen sind schnell aufgezählt. Nach dem durch schlechte Leistungen erzwungenen vorzeitigen Abgang vom Gymnasium beginnt Trakl 1905 ein Praktikum als Apotheker. Sein eigentliches Interesse gilt indessen längst der Dichtung. Als Mitglied eines Dichterzirkels, der von den Salzburgern verständnislos «spinnert» genannt wird, gibt Trakl sich betont als Bohémien und demonstriert seine Ablehnung bürgerlicher Lebensform durch Kleidung und Benehmen. Von Baudelaire ist er begeistert, von Nietzsche und von Dostojewskij; er schreibt Gedichte undProsa; zwei dramatische Versuche werden – mit zweifelhaftem Erfolg – im Salzburger Stadttheater aufgeführt. 1908 beginnt Trakl in Wien sein Pharmaziestudium, an das sich der einjährige Militärdienst anschließt. Trakl löst sich vom epigonalen Stil seiner Jugendgedichte, findet zu einer eigenen lyrischen Form; eine Zeit reicher poetischer Produktivität beginnt. Im Sommer 1909 schreibt er an seinen Freund Buschbeck:
Du kannst Dir nicht leicht vorstellen, welch eine Entzückung einen dahinrafft, wenn alles, was sich einem jahrlang zugedrängt hat, und was qualvoll nach einer Erlösung verlangte, so plötzlich und einem unerwartet ans Licht stürmt, freigeworden, freimachend.
    Nach Beendigung der Militärzeit steht Trakl dann vor der Notwendigkeit, sich nach einer beruflichen Stellung umzusehen, und damit vor dem Konflikt, der die letzten Jahre seines Lebens zu einer Kette von Katastrophen und Verzweiflungsanfällen werden läßt: Trakl vermag seine dichterische Tätigkeit nicht mit der Tätigkeit in einem Brotberuf zu vereinen. Seine Dichtung fordert ihn ganz. Er muß das ihn bedrängende
infernalische Chaos
poetisch
überwältigen
, gestalten, und hat dabei
nicht für Anderes Zeit.
Zunehmend chaotisch wird jetzt seine äußere Lebensgeschichte. Ausdauernd bemüht er sich um eine Stellung, erhält sie schließlich – und nach wenigen Stunden kündigt er. Die Suche beginnt von neuem, immer drückender wird seine materielle Notlage. Der Dichter verfällt in schwere Depressionen, greift zum Alkohol, zur Droge. Immer auswegloser wird die Situation, immer abenteuerlicher werden seine Berufspläne. 1912 schreibt er:
Vielleicht geh ich auch nach Borneo. Irgendwie wird sich das Gewitter, das sich in mir ansammelt, schon
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