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Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Titel: Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Autoren: C.H.Beck
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als Anwärter für den Kreis ausgewogener Wahlsysteme keinen schlechten Eindruck. Jedenfalls bei erstem Hinschauen. Leider hat aber auch dieses System seine paradoxen Probleme. Man muss allerdings tiefer schürfen, um sie zu erkennen.
    Um sie minimalinvasiv herauszuarbeiten, nehmen wir eine kleine Modifikation am Wahlergebnis vor. Sagen wir, einige der insgesamt 25 % der Wähler mit der Präferenzreihung D > B > C > A hätten stattdessen für C > D > B > A votiert, so dass wir nun 21 % mit D > B > C > A und 27 % mit C > D > B > A haben. Mit anderen Worten: C ist bei 4 % des Wahlvolkes vom dritten Platz der Präferenzliste auf den ersten Platz hoch befördert worden. Alle anderen Ranglistenbeziehungen bleiben völlig unverändert. C steht beim Wahlvolk nach diesem kleinen chirurgischen Eingriff noch etwas besser da als zuvor. Das kann ihnfreuen. Für A, B, D bleibt alles unverändert. Aber C war schon vorher der Wahlsieger und sollte jetzt nach dieser für ihn günstigen Änderung der öffentlichen Meinung umso weniger zu befürchten haben. Kann für C denn etwas schiefgehen?
    Aber ja! Denn wenn wir das Hare-Verfahren auf die neuen, C-freundlicheren Daten anwenden, ergibt sich ganz überraschenderweise ein anderer (!!) Gesamtsieger. Im Ernst. Es ist jetzt B. Denn C wird, nachdem D in der ersten Runde ausscheidet, schon in der zweiten Runde eliminiert. Man muss sich das wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Eine für C günstige Modifikation kostet ihn den Gesamtsieg. Eigentlich darf das nicht sein. Die Schlussfolgerung kann deshalb nur lauten: Auch das Hare-Verfahren hat seine objektiv belegbaren Schattenseiten.
    Wir ziehen eins weiter. Und begeben uns auf die Suche nach ausgeklügelteren Prozeduren. Als Weiterentwicklung der reinen Mehrheitswahl können wir für jeden Wähler nicht nur den von ihm Erstplatzierten, sondern zusätzlich seinen Zweitplatzierten in die Abrechnung einbeziehen. In Ermangelung einer griffigen Bezeichnung hierfür sprechen wir von Spitzenduo-Methode.
Spitzenduo-Methode
Präferenzen
Prozente
A
B
C
D
A > B > C > D
10
10
10
 
 
A > C > D > B
9
9
 
9
 
A > D > B > C
11
11
 
 
11
B > C > D > A
22
 
22
22
 
C > D > B > A
23
 
 
23
23
D > B > C > A
25
 
25
 
25
Gesamt
100
30
57
54
59
Ergebnis
D ist Gesamtsieger!
    Tabelle 27: Spitzenduo-Methode im Pivato-Beispiel
    Jetzt wird plötzlich D zum Gesamtsieger erkoren.
    Mit noch besseren Argumenten ließe sich die Ansicht vertreten, statt bei jedem Wähler nur das Spitzenduo auszuwerten, entsprechend sogar das Spitzentrio zu würdigen, um die vorliegenden Präferenzlisten noch detaillierter widerzuspiegeln. Diese Spitzentrio-Methode liefert in analoger Weise:
Spitzentrio-Methode
Präferenzen
Prozente
A
B
C
D
A > B > C > D
10
10
10
10
 
A > C > D > B
9
9
 
9
9
A > D > B > C
11
11
11
 
11
B > C > D > A
22
 
22
22
22
C > D > B > A
23
 
23
23
23
D > B > C > A
25
 
25
25
25
Gesamt
100
30
91
89
90
Ergebnis
B ist Gesamtsieger!
    Tabelle 28: Spitzenduo-Methode im Pivato-Beispiel
    Und wiederum haben wir ein ganz anderes Ergebnis! Ansätze von Depression machen sich breit.
    Aber wir geben nicht auf. Die Spitzentrio-Methode ist genau genommen eine Prozedur, welche die Rangplätze der Kandidaten gewichtet. Dabei bekommen die Rangplätze 1 bis 3 dasselbe Gewicht zugeordnet und der Ranglistenplatz 4 erhält das Gewicht 0. Man kann dieses System noch verfeinern, wenn man unterschiedlichen Ranglistenplätzen auch unterschiedliche Gewichte zuweist und so die Listenplätze in differenziertere und gerechtere Punktwertungen umsetzt.
    Verbucht man einem Kandidaten 3 Punkte für jeden ersten Ranglistenplatz bei einem Wähler und dann abgestuft 2, 1, 0 Punkte für einen zweiten, dritten, letzten Ranglistenplatz, dann erhält man eine Variante der sogenannten Borda-Methode.[ 37 ]
    Diese Feinwertung ist das nächste Stück in unserer kleinen Kompilation. Nach dieser Methode erhält, anders formuliert, ein Kandidat von einem Wähler so viele Punkte, wie er nach Meinung dieses Wählers Zweikämpfe gegen die anderen Kandidaten gewinnen würde.
    Eine Borda-Methode wird in leicht abgewandelter Form beim Eurovision-Song-Contest angewendet.
Borda-Zählung
Präferenzen
Prozente
A
B
C
D
A > B > C > D
10
30
20
10
 
A > C > D > B
9
27
 
18
9
A > D > B > C
11
33
11
 
22
B > C > D > A
22
 
66
44
22
C > D > B > A
23
 
23
69
46
D > B > C > A
25
 
50
25
75
Gesamt
100
90
170
166
174
Ergebnis
D ist Gesamtsieger!
    Tabelle 29: Die Borda-Zählweise im
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