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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners
Autoren: Colin MacInnes
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gebohrt hatte, war Suze jetzt recht nett zu mir. »Er ist Diplomat«, antwortete sie, »sagt er zumindest.«
    »Vertritt er ein bestimmtes Land?«
    »Nicht direkt, nein, er ist hier wegen einer Konferenz, hat sie gesagt.«
    »Wer, sie?«
    »Die Frau, die mit ihm zu Henley kam, um Kleider zu kaufen.«
    Ich blickte Suzette an. »Bitte erzähl mir, was ich schon immer wissen wollte. Wie kommst du eigentlich zum Thema?«
    »Welches Thema?«
    »Dass du Agent für meine Kamera-Studien bist.«
    Sie lächelte.
    »Och, das ist ziemlich leicht, eigentlich. Manchmal wissen sie natürlich schon davon, wenn wir von anderen Kunden empfohlen wurden. Sonst, wenn nicht, begutachte ich sie ein bisschen und zeig ihnen dann ein paar Beispiele.«
    »Einfach so?«
    »Ja.«
    »Und Henley? Weiß er davon?«
    »Ich mach es nie, wenn er da ist«, sagte Suze, »aber ich nehme schon an, dass er es weiß.«
    »Verstehe«, sagte ich. Irgendwie gefiel mir das nicht. »Verstehe. Und was ist mit diesem Diplomaten? Wie mache ich den klar?«
    » Würdest du bitte ?«, sagte Suze bloß, weil ich jetzt nämlich eins ihrer Knie zwischen meine geklemmt hatte. Ich ließ los und sagte: »Also, wie?«
    Sie machte ihre Ledertasche auf und holte eine abgegriffene Karte heraus, auf der stand:
    Mickey Pondoroso
12b, Wayne Mews West,
London (England), SW1
    Die Adresse war mit Kupferdruck eingestanzt, aber der Name war mit der Hand draufgeschrieben.
    »Oh«, sagte ich und befühlte das Ding. »Hast du irgendeine Ahnung, was für eine Art von Aufnahmen er will?«
    »Ich bin nicht ins Detail gegangen.«
    »Gibt gar keinen Grund für den höhnischen Ton, Suze. Schließlich nimmst du mir fünfundzwanzig Prozent ab, oder nicht?«
    »Kannst du’s mir schon im Voraus geben?«
    »Nein. Damit fangen wir gar nicht erst an.«
    »Na, dann.«
    Ich stand auf und ging zur Tür. Sie kam ziemlich langsam hinterher.
    »Ich mach mich dann mal auf die Suche nach diesem Typen«, sagte ich. »Soll ich dich noch zurück zu deinem Etablissement begleiten?«
    »Lieber nicht«, sagte sie. »Wir sollen unsere Freunde nicht mit vors Gebäude nehmen.«
    »Aber ich bin ja gar nicht mehr«, sagte ich, »dein Freund.«
    »Nein«, sagte Suzette. Sie küsste mich ganz kurz auf die Lippen und rannte davon. Bremste dann ab und entschwand gesetzten Schrittes.
    Ich machte mich auf durch Belgravia, auf der Suche nach Mickey P.
    Und ich muss zugeben, dass ich Belgravia auf seine Art toll finde: nicht etwa weil es das wäre, wofür es die ganzen Vatis halten, die da wohnen, also für den schwindelerregenden Höhepunkt einer irren Kultiviertheit, sondern weil ich darin ein Produkt von Old England sehe, so wie den Wachwechsel oder Anzüge aus der Savile Row oder Stilton in großen braunen Porzellantöpfen und all die Sachen, die sie in Esquire bewerben, damit die Amerikaner Lust bekommen, ins malerische Großbritannien zu reisen. Ich meine, in Belgravia, die Blumenkästen und die Vordächer über den Türen und die Frontfassaden, alle in unterschiedlichen Creme-Tönen gestrichen. Das kultivierte Leben auf Pump mit ausladenden grünen Karrees vor dem Fenster und schnurrenden Karossen, geliehenen oder Diplomaten-Wagen, und alles wird an die Tür geliefert und angeschrieben, und kleine Restaurants, in denen affektierte kleine Kreaturen in hautengen Baumwollhosen eine halbe Avocado für fünf Schilling servieren, Gedeck nicht inbegriffen. Allein der gute alte König Ted fehlt in diesem Schauspiel. Nie komme ich durch diese Gegend, ohne mir zu denken, was das doch für ein famoses weiß-grünes Theater ist, in dem ein Ensemble eine Komödie aufführt, die ich ziemlich bewundere, wie traurig es auch sein mag, darüber nachzudenken.
    Dort also war ich und lief in meinem neuen italienischen Sakko umher, das in Belgravia eine bahnbrechende Heldentat darstellte, denn hier trug man noch Sakkos, die bis über das hinabhängen, was Schneider den Sitz nennen. Und um meinen Nacken hing meine Rolleiflex, die ich immer bereithalte, Tag und Nacht, denn man weiß nie, es könnte ja ein Desaster geschehen, zum Beispiel ein Flugzeugabsturz am Trafalgar Square, das ich an die Tageszeitungen verkaufen könnte, in denen Fish and Chips eingewickelt werden, oder vielleicht ein Skandal, zum Beispiel eine bekannte Persönlichkeit, die mit der falschen Art von Mann oder Frau erwischt wird, was Mr. Wiz sicherlich zu Geld zu machen wüsste.
    So schaffte ich es schließlich nach Wayne Mews West, und hier war es, wie oft in diesen
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