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ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

Titel: ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
Autoren: Susanne Storck
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stark, breit, mächtig, imposant. Aber auch der heutige Tag wird mir einiges abfordern.
    In Bingen überquere ich auf einer Fähre den Fluss, um in den berühmten Ort Rüdesheim zu gelangen. Heute beginnt „mein“ süddeutscher Sommer, der in den nächsten Wochen nur noch selten ins Wasser fällt. Wochen später werde ich erfahren, wie lausig kalt und feucht es während meiner Abenteuertour im Ruhrgebiet war. Ich bin nachträglich sehr froh, dass mich das Wetter nicht vom Weg abbrachte. Im Gegenteil.
    Ankunft in Rüdesheim. Ich halte mich gar nicht lange unten im Ort auf, sondern mache mich auf nach Eibingen, wo hoch am Ende der Weinberge die imposante Benediktinerinnenabtei St. Hildegard thront. Hier wurde schon zu Lebzeiten Hildegard von Bingens (1098–1179), der berühmten Gründeräbtissin des Klosters, Wein angebaut. Ich weiß ja, dass es derzeit Arbeit im Weinberg gibt und hoffe, gegen Kost und Logis aufgenommen zu werden. Auch einen Aufenthalt im Kloster, wo ich in den Alltag einbezogen werde, könnte ich mir vorstellen.
    Der Weg nach St. Hildegard ist steil und beschwerlich, ich schiebe fast nur in sengender Hitze. Der Aufstieg hat sich gelohnt, von oben hat man einen herrlichen weiten Blick ins Land, auf sattgrüne Weinreben und einen Griechenland-blauen Himmel, den kein Wölkchen trübt. Die Nonnen bauen auf einer Fläche von 6,5 Hektar Wein an, zu über 80 Prozent Riesling, der Rest ist Burgunder, schmökere ich irgendwann später im Internet. Die Weinberge tragen hier Namen wie Kirchenpfad, Drachenstein und Magdalenenkreuz.
    Ich parke mein Rad vor der Treppe zum Kloster, mit einem eisernen Klopfer mache ich auf mich aufmerksam. Vor diesem riesigen Anwesen und dieser hohen Tür komme ich mir trotz meiner 1,80 Meter Größe plötzlich ziemlich klein vor – denke ich noch, als auch schon eine Nonne die Tür öffnet. Ich bringe mein Anliegen vor, und noch während ich spreche, ahne ich, dass mir die Schwester eine Absage erteilen wird. Klar, sie ist höflich, aber auch sehr ernst und bestimmt. So kurzfristig und nur für einen Tag sei es nicht möglich, in St. Hildegard zu bleiben. Diskutieren würde nichts bringen, ich verabschiede mich, drehe mich um, gehe noch in den Klosterladen, wo Bücher, Kerzen und vieles andere verkauft werden. Ich gebe es zu, ich bin nicht ohne Grund hier, sondern weil ich hoffe, eine Steckdose zu finden. Der Akku meines Handys ist fast leer, ich traue mich nicht, ohne intakten „Notruf“ loszufahren. Ich werde fündig, kann Ladegerät und Handy in einem unbeobachteten Moment unauffällig anschließen – und bleibe noch ein halbes Stündchen auf dem Klostergelände… Verehrte Ordensfrauen, ich hoffe, Sie verzeihen mir den Stromklau.
    Ich sause zurück nach Rüdesheim. Auf dem Weg dahin frage ich noch auf dem Bischöflichen Weingut und bei einem weiteren Winzer nach einem Job. Fehlanzeige. Ich glaube, ich habe den Dreh noch nicht raus, mich erfolgreich zu verdingen.
    Auf dem Weg aus der Stadt will ich in einem Backshop neben einem Supermarkt meine fast leere Wasserflasche auffüllen. Ich bitte die Verkäuferin höflich darum. Sie fragt nur: „Warum?“ Ich antworte völlig perplex mit einer Gegenfrage: „Warum nicht?“ Sie dürfe das nicht, bei so was hätte ihr Chef das Sagen, will sie von sich ablenken. Und, jetzt kommt’s: Sie ginge ja auch nicht in den Supermarkt, um eine leere gegen eine volle Flasche umsonst zu tauschen. Und dann füllt sie doch noch die Flasche.
    Nach der Nachtfahrt im Regen und den Absagen in Rüdesheim bin ich etwas dünnhäutig. Ich suche geschützte Ruhe. Die Broschüre Atem holen über Angebote der Frauen- und Männerorden in Deutschland, die ich mir vor meiner Tour per Post bestellte, muss jetzt her. Ich rufe zwei Orden in der Gegend an, ich weiß nicht mehr, welche das waren, jedenfalls vermitteln sehr freundliche Frauen mir den Weg ins Bildungshaus Kloster Tiefenthal in Eltville-Martinsthal. Wiesbaden und Mainz sind nicht mehr weit weg. Nach einer kurzen Tagesetappe über nur 49 Kilometer, die mir aber doppelt so lang vorkommt, komme ich am Nachmittag im Kloster Tiefenthal an. Schwester Iniga Hillermann, die Leiterin des Bildungshauses und Mitglied des Konvents, empfängt mich. Im Sommer 2007 leben hier 14 Schwestern, die meisten sind zwischen 70 und 80 Jahre alt. Hinzu kommen vier Postulantinnen und Novizinnen, angehende Nonnen. Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Frauen vom Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi ist Balsam für
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