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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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trat Giuliano vor die Tür. Zuerst hatte er den Impuls zu klopfen, quasi als letzte Geste der Verehrung für die Frau, die er aus Liebe geheiratet hatte. Jedenfalls hatte er sie aus Liebe geheiratet – auf jeden Fall nicht wegen der dürftigen Mitgift, die sie mit in die Ehe gebracht hatte. Bevor er jedoch den Arm hob und sich der Lächerlichkeit ausgesetzt hätte, wurde ihm jedoch klar, dass diese Geste ihm nur Hohn und Spott eingebracht und ihn den Respekt seiner Männer gekostet hätte. Deshalb versetzte er der Tür einen gewaltigen Tritt, um sich gewaltsam Einlass zu verschaffen. Sie sprang jedoch nicht auf.
    Von innen war kein Laut zu hören.
    Giuliano schaute zu Ulrich, der zwei von seinen Männern ein Zeichen gab. Daraufhin warfen sie sich mit vereinten Kräften gegen die geschlossene Tür, die schließlich doch nachgab, und gingen sofort zur Seite, um ihrem Herrn den Vortritt zu lassen.
    Giuliano sah zwei unbewegliche Körper auf dem Bett liegen, und im Halbdunkel konnte er das Weiße ihrer weit aufgerissenen Augen erkennen. Mit einem Wink entfernte er seine Männer, die von Ulrichs höhnischen Blicken gefolgt stumm die Treppe hinuntergingen. Er drehte den beiden den Rücken zu und zündete eine Kerze auf dem Tisch an. Die beiden Liebenden richteten sich unter der dünnen Wolldecke kaum merklich auf. Jetzt konnte er sie sehen, die rotgoldenen Haare seiner Frau, die ihr Antlitz umrahmten, das ihm in ihrem Zorn, in den sich kein Funken Angst mischte, noch schöner erschien, und die blonde Haarpracht von Giovanni Pico, Graf von Mirandola, seinem Rivalen. Dieser betrachtete ihn distanziert und nicht sonderlich überrascht, so, als hätte er sich seit langem auf diese Begegnung vorbereitet.
    »Ich sollte Euch umbringen«, sagte Giuliano leise, während er sich den beiden mit einer Drohgebärde näherte.
    »Aber das werdet Ihr nicht tun, nicht wahr?« antwortete Margherita kalt: »Denn das könnte ja Eure Geschäfte schädigen.«
    »Ich hätte alles Recht der Welt, es zu tun, und niemand könnte mich dafür verurteilen«, antwortete der Erste Steuereintreiber von Arezzo.
    »Jemand schon, Lorenzo zum Beispiel.«
    »Er hat seine eigenen Probleme in Florenz. Außerdem glaube ich nicht, dass Lorenzo ein ehebrecherisches Paar verteidigen würde. Aber ich könnte ihn verschonen und Euch umbringen …«
    »Das werdet Ihr nicht tun. Ich weiß es«, höhnte Margherita.
    »Was seid Ihr nur für eine Frau? Ihr solltet vor Scham im Boden versinken!«
    »Giuliano«, der Ton ihrer Stimme wurde wärmer, »Eure Liebe ist mir teuer gewesen, und ich habe es Euch gegenüber wahrlich nie an Respekt mangeln lassen. Aber ich habe Euch auch immer gesagt, dass ich, sobald ich den Zwilling zu meiner Seele gefunden hätte, meinem Herzen folgen würde und nicht mehr länger meiner Vernunft. Das waren die Bedingungen, die Ihr selbst akzeptiert habt, als Ihr mich zu Eurem Weib nahmt.«
    De’ Medici warf einen Blick auf den Mann, der neben seiner Frau lag.
    »Das ist wahr«, mischte sich Giovanni Pico in das Gespräch der Eheleute ein, »es ist alles wahr, mein Herr. Margherita und ich lieben uns. Und dies so sehr, dass unsere Liebe alle Abmachungen bricht. Ich verstehe Euren Schmerz und Euren Groll, aber wir wussten bereits bei unserer ersten Begegnung, dass wir für einander bestimmt sind.«
    »Seid still! Ihr habt kein Recht, so zu sprechen! Und verlangt nicht, dass ich Euer Leben schone, nur weil Ihr ein Günstling des Prächtigen seid!«
    »Ich bin bereit zu sterben«, sagte Giovanni und erhob sich, um Giuliano mit nackter Brust entgegenzutreten. »Ihr könnt mich töten – und nach dem Gesetz habt Ihr auch das Recht dazu – oder aber Ihr begreift und versteht. Ich kann Euch nicht hassen, weil Ihr Margherita bis zum heutigen Tag treu beschützt habt, und deshalb werde ich mich Eurer Entscheidung auch nicht widersetzen. Aber egal, was Ihr tut: Sie wird immer mein sein.«
    Giuliano starrte Giovanni mit weit aufgerissenen Augen an: Er stand vor einem nackten und wehrlosen Mann, der jedoch eine solche Würde ausstrahlte, dass der Gehörnte ihn nicht blindlings niedermetzeln konnte. Zwar riss er halbherzig den linken Arm hoch, als wollte er ihn mit der Armkachel, die er sich extra für diesen Zweck hatte anfertigen lassen, schlagen, überlegte es sich jedoch anders und bedrohte den Nebenbuhler mit der Parierstange seines Schwertes, das er in seiner Rechten hielt.
    Als er die absolute Gelassenheit des anderen bemerkte, hielt er mit
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