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80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
Autoren: Vina Jackson
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Tag, als ich zum ersten Mal Vivaldi für ihn spielte, nie wieder gegangen, doch er hatte sich mir so tief eingeprägt wie eine Schatzkarte.
    Endlich gelangte ich wieder auf weiches Gras und seufzte vor Behagen, als der Tau meine geschundenen Füße kühlte. Dann ging ich eine Weile unter einem dichten Blätterdach, das den Himmel verdeckte wie ein Baldachin, bevor ich auf die Lichtung trat und den Musikpavillon sah. Er stand auf der üppig grünen Anhöhe wie aus dem Boden gewachsen, gleich einem Baum, dessen Stamm aus schmiedeeisernen Säulen statt aus Holz und Borke bestand.
    Auf den letzten hundert Metern legte ich keine Plättchen mehr aus. Hier sollte Dominik mich schon hören können.
    Falls er kam.
    Was er mit Sicherheit tun würde.
    Vorsichtig ging ich die flache Rampe zu der kleinen Pavillonbühne hoch, drehte mich um und sah hinüber zu den Bäumen, zwischen denen Dominik demnächst auftauchen müsste.
    Ich war allein mit der Bailly, den Vögeln und der Landschaft. Weil jedoch in absehbarer Zeit mit Sicherheit zumindest ein paar morgendliche Jogger meine Einsamkeit stören würden, zögerte ich zunächst, den nächsten Punkt meines Plans umzusetzen. Doch dann rang ich mich dazu durch.
    Denn welchen Sinn sollte es haben, hier im Pavillon für Dominik Geige zu spielen, wenn ich nicht nackt war? Das sollte schließlich meine Botschaft für ihn sein.
    Vielleicht waren es ja nur die Einflüsterungen einer schlaflosen Nacht, aber auf dem Weg nach Hampstead Heath hatte ich einen endgültigen Entschluss gefasst.
    Sollte er kommen, weil er bemerkt hatte, dass die Geige und ich fort waren, und sollte er der von mir gelegten Spur zum Pavillon folgen, wäre dies für mich ein Zeichen, dass wir zusammengehörten. Dann würde ich meine Zweifel begraben und alles dafür tun, dass es mit uns klappte.
    Doch wenn nicht, wenn er bis in den helllichten Tag hinein schrieb oder zwar feststellte, dass ich nicht mehr da war, mich aber beim Joggen vermutete und sich nicht weiter darum scherte, dann würde ich ausziehen und die ganze Sache aufgeben. Dann würde ich von vorn anfangen. Allein.
    Kopf oder Zahl. Damit legte ich unser Schicksal in die Hände des Schicksals. Es war etwas, das sehr zu Dominik passte und er daher anerkennen und billigen würde. Und genau deswegen war ich auch davon überzeugt, dass es funktionieren würde: Ich machte ihm ein Angebot, indem ich nackt Vivaldi spielte.
    Wie zu Beginn unserer Beziehung.
    Ich zog mein Kleid aus, schloss die Augen und begann mit dem Concerto Nummer 2, »Sommer«. Es war zwar nicht die richtige Reihenfolge, aber ich wollte mit »Frühling« aufhören, weil das wie ein Neubeginn klang und meinem Vorhaben entsprach. Mit »Winter« zu enden, wäre zu trist gewesen.
    Kaum hatte ich den Bogen auf die Saiten gelegt, strömte die Musik aus der Bailly und nahm mich mit, hob mich auf ihre Schwingen und ließ mich über die Lichtung fliegen.
    Erst als ich die letzten Töne von »Herbst« gespielt hatte, erinnerte ich mich an meine eigentliche Absicht. Ich öffnete die Augen und suchte die Baumgruppe nach Dominik ab.
    Vielleicht hatte er sich doch nicht auf den Weg gemacht, und das Ganze war eine bescheuerte Idee. Vielleicht hatten wir einen Fehler begangen, und die Stimme des Schicksals riet mir abzuhauen, solange ich noch konnte, bevor einer von uns am anderen zerbrach. Doch während ich weiterspielte, wurde mir eines klar: Ich wünschte mir aus tiefstem Herzen, dass er zu mir kam.
    Die Gefühle, die mich erfassten, waren so stark, dass meine Bogenhand leicht zitterte. Zugleich flehte ich stumm: Dominik, finde mich. Komm zu mir. Gib uns nicht auf. Ich spürte, dass mir eine Träne über die Wange kullerte, bevor sie auf den glatten Geigenkorpus fiel. Und in diesem Augenblick, als die lieblichen Klänge von Vivaldi sich über den Morgendunst erhoben, wusste ich, dass ich ohne ihn nicht leben konnte.
    Ich sah eine Silhouette, die etwa hundert Meter entfernt aus dem Wäldchen trat. Auf diese Entfernung war es unmöglich, jemanden mit Gewissheit zu erkennen. Aber mein Herz pochte plötzlich wild, denn ich glaubte, das alte Sweatshirt seiner Uni-Leichtathletikmannschaft zu erkennen. Doch gleich schob ich diesen Gedanken wieder weg; ich schloss die Augen und ließ erneut die Geige die Führung übernehmen.
    Dann glaubte ich, in meiner Nähe seine Gegenwart zu spüren. Irgendetwas regte sich in der Luft, als ich zu »Frühling« überging, zum ersten Satz meines letzten Concertos. Beobachtete er
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