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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Autoren: Karl May
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uns auf die Streu für drei Kreuzer. Kamm, Bürste und Seife nehmen wir uns mit. Ich will nur gleich hinaufgehen und nach den Sachen sehen!“
    „Wann denkst du denn, daß wir uns fortmachen?“
    „Etwa gleich heute schon?“
    „Besser ist besser. Je eher wir gehen, desto eher sind wir wieder zu Hause. Du, dort kommt ein Wagen.“
    Es kam eine einspännige Kalesche langsam und vorsichtig den schmalen Waldweg daher. Ein Herr saß darin.
    „Das ist der Gerichtsarzt!“ meinte der Köhler.
    „Gut, da werden wir gleich hören, ob wir wegen des Kranken verreisen können oder nicht.“
    Die Kalesche hielt an; der Arzt stieg aus und kam herein.
    „Wie geht es ihm?“ fragte er die Frau.
    „Noch wie erst.“
    „Sie haben ihm die Charpie im Gesicht doch immer feucht gehalten?“
    „Ja, sie ist nicht trocken geworden.“
    „Das ist die Hauptsache. Die Tropfen, welche ich Ihnen zu diesem Zweck gegeben habe, heilen die Verwundung schnell. Es kommt uns natürlich sehr darauf an, die Gesichtszüge möglichst schnell wieder kenntlich zu machen, damit wir erfahren, mit wem wir es eigentlich zu tun haben.“
    „Es könnte wohl doch noch der Hauptmann sein?“
    „Nein, der ist es nicht; den haben wir sicher und fest!“
    Der Kranke lag bewegungslos und ruhig atmend in dem Bett, das zerschundene Gesicht mit Charpie belegt. Der Arzt entfernte diese vorsichtig und sagte dann unter einem befriedigten Nicken des Kopfes:
    „Es wirkt ganz nach Wunsch. Das Blutunterlaufene hat sich bereits gesetzt, die Weiße der Haut tritt wieder zum Vorscheine. Noch zwei Tage, dann sind die Züge zu erkennen.“
    „Oh, ich sehe es schon jetzt“, meinte der Köhler unvorsichtig.
    „Was?“
    „Daß er der Hauptmann nicht ist!“
    „Ah! Kennen Sie denn den Hauptmann?“
    Erst jetzt bemerkte der Köhler, daß er sich ganz unnötig in Gefahr begeben hatte. Seine Frau war resoluter als er. Während er nicht wußte, was er sagen sollte, antwortete sie schnell:
    „Kennen? Nein, Herr Doktor. Aber wir vermuten, daß wir ihn gesehen haben.“
    „Wo denn?“
    „Hier im Wald. Es trieb sich einige Tage lang ein Mensch in der Nähe des Hauses herum, der uns ziemlich verdächtig vorkam. Wir haben dann gedacht, daß es der Hauptmann ist.“
    „Ach so! Hat der Kranke gesprochen?“
    „Ja, aber undeutlich.“
    „Wollen einmal sehen, wo er Schmerzen hat.“ Der Arzt betastete den ganzen Körper, ohne daß der Patient sich bewegte; als aber der erstere die Hirnschale berührte, fuhr der letztere mit den Armen empor und rief:
    „Fort! Mörder – Forstschreiber!“
    „Ah“, nickte der Arzt. „Sollte sich der Hauptmann ihm gegenüber für einen Forstschreiber ausgegeben haben? Wissen Sie vielleicht, ob der Kranke hört?“
    „Nein.“
    „Sie haben noch nicht auf ihn gesprochen?“
    „Einige Male, aber er antwortete nicht. Er schläft fortwährend.“
    „Das ist kein Schlaf, sondern Betäubung. Wollen einmal sehen, ob er antwortet.“
    Er fragte den Kranken verschiedenes, ohne aber Antwort zu erhalten. Jetzt legte er ihm die Hand, aber nur leise, auf die Hirnschale, und sofort bewegte sich der Kranke.
    „Wie heißen Sie?“ rief er ihm jetzt ins Ohr.
    Der Verunglückte horchte und antwortete dann:
    „We – we – eber.“
    Er brachte es nur stammelnd hervor.
    „Woher sind Sie?“
    „A – a – me – rika.“
    „Wohin wollen Sie?“
    „La – langen – stadt.“
    „Zu wem?“
    „O – o – oheim.“
    Dann aber brach er in ein schmerzliches Wimmern aus.
    „Ich darf nicht weiter in ihn dringen“, sagte der Arzt. „Der Hinterkopf ist geschwollen; vielleicht ist ein Schädelbruch vorhanden. Wir müssen darauf hinarbeiten, daß die Geschwulst sich setzt. Nun aber wissen wir wenigstens, wie er heißt.“
    „Er ist mein Neffe“, sagte Weber.
    „Wie, Ihr Neffe?“
    „Ja; er hat zu mir gewollt und ist unterwegs von dem Hauptmann vom Felsen gestürzt worden. Dieser ist dann zu mir gekommen, um bei mir versteckt zu sein.“
    „Ah, so sind Sie jener Weber aus Langenstadt?“
    „Ja.“
    „Dann weiß ich den Patienten in guten Händen. Sie werden alles tun, um ihn am Leben zu erhalten.“
    „Natürlich! Ich werde Tag und Nacht nicht von seinem Lager weichen. Bitte nur, mir zu sagen, was ich tun soll.“
    „Kalte Umschläge, weiter nichts.“
    „Das kann ich allein besorgen, und so werden Sie wohl nichts dagegen haben, daß mein Gevatter hier mit seiner Frau nach der Residenz fährt?“
    „Besser wäre es freilich, sie bleiben
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