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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist
Autoren: Carl Hanser Verlag
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den Film fandest.
    »Hm«, machtest du nur und zucktest mit den Achseln, sahst mich an, zucktest wieder mit den Achseln, dabei machtest du so eine unentschlossene Schaukelgeste. Am liebsten hätte ich dich am Handgelenk gefasst und deine Finger dorthin gelegt, von wo ich sie zuvor vertrieben hatte, so wild klopfte mein Herz, Ed, weil ich es mir so sehr wünschte, schon damals, an jenem 5. Oktober im Carnelian.
    »Also, ich fand ihn gut«, sagte ich und hoffte inständig, dass ich bei meinen Gedanken eben nicht rot geworden war. »Danke, dass du ihn mit mir angeschaut hast.«
    »Ja«, sagtest du und dann noch: »Ich meine, kein Problem.«
    »Kein Problem?«
    »Du weißt schon, was ich meine«, sagte er. »Tut mir leid.«
    »Das hast du gemeint? Es tut dir leid?«
    »Nein«, sagtest du, »ich meinte: Was machen wir jetzt?«
    »Ähm«, machte ich, und du hast mich angesehen, als hättest du deinen Text vergessen. Was könnte ich mit dir unternehmen? Ich hatte gehofft, du hättest eine Idee. Den Film hatte schließlich ich vorgeschlagen. »Hast du Hunger?«
    Du hast geschmunzelt. »Ich bin Basketballer«, hast du gesagt, »und das heißt, auf die Frage heißt die Antwort immer Ja.«
    »Okay«, sagte ich und überlegte, dass ich ja wenigstens einen Tee trinken könnte. Und dir beim Essen zugucken? Sollte das alles sein, der ganze 5. Oktober? Greta geisterte mir noch immer durch den Kopf, und so wollte ich, dass wir noch etwas machten, irgendetwas …
    Auf einmal blieb mir kurz die Luft weg, ehrlich. Ich musste es dir zeigen, denn es war nichts, was man auf Anhieb sehen konnte, ein Weg zu einem Ort, der Beginn einer Geschichte, die diesen 5. Oktober zu einem ebenso wunderschönen Film machen könnte wie der, den wir eben gesehen hatten. Es war mehr als die alte Dame, die soeben an uns vorüberging, mehr als alles, worauf du im Licht dieses regnerischen Nachmittags einen Blick werfen konntest. Es war ein Traum von einem Vorhang, der sich öffnete, und ich würde dich bei der Hand nehmen, um dich hindurchzuführen an einen Ort, an dem es mehr gab als bloß zwei im Kino knutschende Highschool-Schüler, etwas Besseres als Tee für ein Mädchen und Essen für einen Sportler, mehr als einen gewöhnlichen Nachmittag, wie jeder andere ihn auch haben konnte, etwas Magisches auf einer großen Leinwand, etwas anderes, etwas –
    – Außergewöhnliches.
    Atemlos zeigte ich mit dem Finger die Straße hinunter. Ich habe dir ein Abenteuer geschenkt, Ed, direkt vor deinen Augen geschah es, aber du hast es nicht gesehen, bis ich es dir gezeigt habe, und deswegen ist es aus.

     

 
     
    Dir das hier zurückzugeben bricht mir das Herz, aber deins ist schließlich auch gebrochen, also sind wir wohl quitt. Abgesehen davon kann ich Lottie Carson sowieso nicht mehr anschauen, aus naheliegenden Gründen, und das heißt, wenn ich es dir nicht zurückgäbe, würde es irgendwo in einem Haufen Plunder vor sich hin modern, statt dir entgegenzublicken, wenn du diesen Karton aufmachst, und dich zum Weinen zu bringen mit ihrem Lächeln, ihrem schönen Lächeln, dem berühmten Lächeln der Lottie Carson.
    »Was?«, sagtest du und sahst der alten Dame nach, die sich langsam auf der Straße entfernte.
    »Lottie Carson«, sagte ich.
    »Wer soll das sein?«
    »Die vom Kino.«
    »Stimmt, hab ich gesehen, in der letzten Reihe. Die mit dem Hut.«
    »Nein, das war Lottie Carson «, sagte ich. »Glaube ich wenigstens. Die Greta aus dem Film.«
    »Echt?«
    »Ja.«
    »Bist du sicher?«
    »Nein«, sagte ich, »natürlich nicht. Aber sie könnte es sein.«
    Wir gingen hinaus, und du hast ihr mit zusammengekniffenen Augen und gerunzelter Stirn nachgeschaut. »Die sieht doch kein bisschen so aus wie die im Film.«
    »Der ist ja auch uralt«, sagte ich. »Streng deine Fantasie ein bisschen an. Wenn sie es ist, dann heißt das, sie hat sich ins Kino geschlichen, um sich selbst in der Wildnis zu sehen, und außer uns weiß kein Mensch davon.«
    » Wenn sie es ist«, wiederholtest du. »Aber wie kannst du dir da sicher sein?«
    »Sicher kann man sich da nie sein«, sagte ich. »Jetzt nicht. Ich hatte einfach so ein Gefühl, als wir da drin saßen. Bei dem langen Kuss am Ende.«
    Du hast gelächelt, und ich wusste, an welchen Kuss du dachtest. »Du hattest so ein Gefühl.«
    » Den Kuss meinte ich doch nicht«, sagte ich und spürte gleich wieder, wie du mir mit beiden Händen die Haare zurückgestrichen hast, damit sie uns beiden nicht ins Gesicht fielen. »Den im
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