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41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

Titel: 41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mara Ferr
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Nacht eingecremten Händen und unordentlich zusammengebundenen Haaren.
    Sie beobachtete den schwarzen, dichten Haarschopf, der, durch das Geländer betrachtet, nach oben zu schweben schien. Auf den letzten Stufen hob er den Kopf, sah sie in der offenen Tür stehen, erstarrte kurz und lachte.
    „Ich störe. Und wie ich störe!“
    „Es freut mich, dass mein Anblick Sie amüsiert. Ich selbst finde es aber weniger komisch, dass Sie mich ohne Vorwarnung aufsuchen. Ist das der Stil der jungen Generation? Unverschämt und rücksichtslos?“ Louise war weniger erbost, als sie vorgab. Er musste es an ihrem Tonfall erkannt haben, denn er wirkte keineswegs zerknirscht.
    „Madame, ich musste einer Eingebung folgen. Ich musste einfach.“
    „Und diese göttliche Eingebung führte Sie ausgerechnet zu mir?“
    „Genau. Wohin sonst könnte eine göttliche Eingebung führen?“, gab er lächelnd zurück.
    Louise fühlte sich keineswegs geschmeichelt, dennoch hatten Worte wie diese eine durchaus wohltuende Wirkung auf ihre weibliche Seele.
    „Kommen Sie herein. Es bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, als Sie zu erhören?“
    „Ich wäre Ihnen zumindest sehr dankbar, wenn Sie ein paar Minuten erübrigen könnten.“
    Sie nickte und ging ihm voran ins Gästezimmer.
    „Machen Sie es sich bequem. Kaffee oder Cognac? Ich nehme an, ein kleiner Drink wird sich in den paar Minuten doch einnehmen lassen?“
    „Cognac, vielen Dank.“
    Sie begann mit routinierten Handgriffen ihr tausendfach erprobtes Spiel mit Gläsern, Karaffen und Eiswürfeln.
    Als alles am Tisch bereit stand, schob sie ihm noch einladend die Bonbonschale hin, lehnte sich in ihrem Sessel zurück, überschlug die Beine und war darauf bedacht, das Shirt, soweit es reichte, darüber zu ziehen. Des Anstands wegen. Dies war schließlich ein offizieller Dienstbesuch und kein formloses Treffen unter Freunden.
    „Nun, welchen Geistesblitz hat Gott Ihnen eingegeben, der Sie zu solch unchristlicher Zeit vor meiner Tür entlädt?“
    Die Ironie hinter dieser geschwollenen Ausdrucksweise war unüberhörbar.
    „Madame Prousseau, Sie verfügen doch über eine hochmoderne Videoanlage, auf der Sie alle Besucher und auch einen Teil der Rue Loubert erkennen können?“
    „So ist es. Sündhaft teuer in der Anschaffung und auch in der regelmäßigen Wartung. Absolut zuverlässig. Aber ich muss Sie leider enttäuschen: Die digitalen Aufnahmen werden nicht aufgezeichnet, ich habe also keine Bilder anzubieten, auf denen Sie Ihre Vermissten sehen könnten. Wenn dem so wäre, hätte ich sie heute Morgen zur Befragung mitgebracht.“ In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Belustigung mit.
    Marcel erkannte seine Niederlage sofort, auch wenn sie ihm beinahe charmant und überaus sanft beigebracht wurde.
    „Natürlich.“ Um seine Verlegenheit zu überspielen, nahm er ein Bonbon, wickelte es gedankenverloren aus, streifte die silberne Hülle sorgfältig glatt und legte sie in den tönernen, mit indianischen Zeichen verzierten Aschenbecher. „Natürlich hätten Sie daran gedacht, Madame. Nun, war wohl doch kein so großartiger Geistesblitz. Es tut mir leid, Sie gestört zu haben, aber es war zumindest ein Hoffnungsschimmer.“
    „Sie haben Courage bewiesen und Arbeitseifer, also schütten Sie sich nicht Asche über Ihr Haupt. Apropos Asche – wenn Sie nun schon einmal hier sind, helfen Sie mir wenigstens bei meiner Arbeit. Als Entschädigung für die ungebührliche Störung, sozusagen.“
    „Was immer Sie wünschen, Madame.“ Übertrieben demütig verbeugte er sich vor ihr.
    „Das sind eigentlich meine Worte.“ Louise lächelte ungezwungen und erhob sich.
    „Ich muss noch den Ofen säubern, das geht zu zweit viel schneller.“ Er stand auf und folgte ihr durch eine breite Tür in den angrenzenden Töpferraum. Sie zeigte auf den runden Brennofen, dessen Deckel nach oben gekippt war. Der Durchmesser des Ofens war ungefähr doppelt so groß wie der einer Regentonne, die Höhe entsprach ziemlich genau der eines kleineren Müllcontainers. Wenn man sich darüber beugte, konnte man den Boden mit einer ausgestreckten Hand nicht berühren, auch wenn man sich noch so sehr anstrengte.
    Louise hatte einen Staubsauger mit langem Saugrohr bereitgestellt. Daneben stand ein bauchiger Tonkrug, aus dessen geschwungenem Hals ein biegsamer schwarzer Plastikschlauch ragte. Eine seltsame Konstruktion. Sie sah seine Verwirrung.
    „In diesem Krug fange ich die Asche auf, die ich aus dem Ofen sauge.
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