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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
Autoren: Timm Kruse
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zumindest einen nahen Verwandten mit Fastenerfahrung haben.
    Mein Hochgefühl ist weg. Auch Serotonin baut sich ab oder fastet sich weg. Am liebsten würde ich mich den ganzen Tag über im Bett aufhalten. Vielleicht denkt dann der Körper, es wäre Nacht und verlangt deshalb nicht nach Nahrung. Wer isst schon im Liegen?
    Ich habe so viel Zeit. Und würde so gerne über tiefgründige Dinge schreiben. Mit einem Tagebuch soll die Normalität an Bedeutung gewinnen. Selbst wenn nichts geschieht, durchsuche ich dieses Nichts nach etwas, was das Nichts nicht hergeben kann.
    Es ist Mitternacht. Und es war doch ein guter Tag. Ich habe alles, was ich brauche: ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Wasser, sogar Buttermilch und Säfte. Weshalb sollte ich jemals wieder essen? Besser als mir jetzt kann es einem Menschen nicht gehen. Ich fühle mich befreit, als wäre eine Last von mir abgefallen, brauche kaum Schlaf. Ich liege einfach nur hier und bin glücklich. Vielleicht fühle ich mich aber auch gerade so gut, weil ich hier keine Menschen um mich habe. Werde ich zum Eigenbrötler durch das Fasten?
    Wenn es mir so geht wie heute, werde ich die 40 Tage locker schaffen. Und selbst wenn es mir nur halb so gut geht, packe ich es. Und auch wenn noch weniger drin ist, halte ich durch.

Fünfter Tag, 5. September
Die in 40 Einheiten zu teilende Zeitspanne bezeichnet die erdzugewandte Vielfalt und kommt in der Bibel mehrfach vor: 40 Jahre wandern die Israeliten durch die Wüste, 40 Tage begegnet Moses Gott auf dem Sinai, 40 Tage wandert Elias zum Berg Horeb, 40 Tage fastet Jesus in der Wüste und 40 Tage nach der Auferstehung zu Ostern feiert die Kirche Christi Himmelfahrt.
theology.de
    Fünfter Tag, 5. September
    89,0 KILOGRAMM
    Der Morgen beginnt um halb fünf mit 330 ml Sauerkrautsaft. Meine Duschschlauch-Methode erreicht vielleicht nicht die obersten Darmregionen. Die ersten Schlucke Sauerkrautsaft gehen noch, aber nur, weil ich Sauerkraut sehr mag. Die letzten Schlucke schmecken bitter und eklig.
    9 Uhr 30: Sauerkrautsaft wirkt …
    Heute ist mein Büronachbar mit Fastenweisheiten dran: »Sehr ungesund!« Da habe er gerade erst einen Bericht im Fernsehen gesehen. Ein Ernährungsexperte soll vor den psychischen Folgen des Fastens gewarnt haben. Ein bestimmter Prozentsatz der Fastenden würde unweigerlich magersüchtig werden. »Wo lief denn der Beitrag?«, frage ich. »Nachmittags, in so ’ner Sendung.« Er will wahrscheinlich nicht zugeben, dass er nachmittags heimlich schlechte Sendungen bei den Privaten guckt.
    Mein Büronachbar müsste selbst am besten wissen, wie so etwas läuft. Schließlich hat er doch auch schon für die Privaten gearbeitet und unzählige Male Themen dramatisiert, um sie als Beiträge durchzubringen. Privatfernsehen funktioniert nur mit Angstmacherei. Wenn jemand Hiobsbotschaften zu verbreiten hat, bekommt er Quote. Und die Öffentlich-Rechtlichen sind auf bestem Wege, RTL und SAT.1 Konkurrenz zu machen.
    Wo saßen wir alle am 11. September? Genau. Vor der Glotze. Egal ob bei RTL oder ARD. Es ging um Bilder, die wir so nicht für möglich gehalten hätten.
    Wenn also jemand erzählt, Fasten sei wahnsinnig ungesund, dann weckt das Sensationsgier. Am besten bringt er noch eine Statistik mit Toten unter, und die Medien kaufen sein Statement sofort. Dann hängt es nur von der Redaktion ab, ob die Statistiken und Expertenmeinungen überprüft werden oder nicht.
    Dass in Buchingers Kliniken Zehntausende ihre Fastenkuren gut und gesundet hinter sich gebracht haben, interessiert niemanden. Dass ein Patient – ein einziger – vor Jahren während eines Klinikaufenthalts in der Badewanne gestorben ist, dafür umso mehr. Sie ahnen schon, was die Medien daraus gemacht haben.
    Das Problem bei diesem Medien-Alarmismus ist, dass wir irgendwann gegen wirkliche Probleme immun sind. Zehnmal am Tag schlechte Nachrichten hören, sehen, lesen und wir stumpfen total ab. Oder werden hysterisch. Das ist die neue Armut. Und nicht Hartz IV.
    Ich bin empfindlich. Überempfindlich. Mein Körper fühlt sich durchlässig an. Alles Laute und Heftige tut mir weh. Ich will mich zurückziehen, raus aus der Welt sein. Als erwartete ich einen Ansturm, auf den es sich vorzubereiten gelte.
    Vielleicht trägt aber auch einfach der Dauerregen zu meiner Gemütslage bei. So einen September hat selbst Schleswig-Holstein lange nicht erlebt. Spätsommer oder goldener Herbst ist nicht. Wird auch nichts mehr, sagen meine Fühler.
    Kurzer Stadtbummel mit
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