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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Autoren: Karl May
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laufen Sie davon! Ich meine es gut mit Ihnen. Damit aber will ich nicht etwa sagen, daß Sie gleich heute von hier aufbrechen sollen. Nehmen Sie sich nur vor dem Bravo und anderen Fallen in acht, welche man Ihnen legen könnte. Ich bin überzeugt, daß Sie bis morgen mittag, wo ich zu Ihnen komme, irgend etwas erlebt haben werden. Da sollte es mich freuen, zu erfahren, daß meine Warnung nicht unbeachtet geblieben ist.“
    „Ich werde sie mir zu Herzen nehmen, Señor. Und da ich sehe, daß Sie gehen wollen, so erlauben Sie mir, Ihnen die zweihundert Peso jetzt auszuzahlen.“
    Ich schob ihm fünf Diez Pesos Fuertes zu. Er wickelte sie zusammen und steckte sie mit einer Miene in die Westentasche, als ob es nur ein Stückchen Zigarettenpapier sei. Dann reichte er mir die Hand, machte mir eine höflich vertrauliche Verbeugung und entfernte sich.
    Jetzt nahm ich seinen Platz ein, um den Bravo beobachten zu können. Dieser musterte den aus der Tür tretenden Yerbatero mit einem kurzen Blick und machte dann eine ungeduldige Bewegung. Nach einer Weile entfernte auch ich mich. Dabei tat ich so, als ob ich den Menschen gar nicht bemerkte. Ich schritt durch mehrere Straßen, blieb an verschiedenen Schaufenstern stehen und überzeugte mich, daß der Mann mir allerdings unausgesetzt folgte.
    So verging wohl eine Stunde, und die Dämmerung trat ein. Glockenton machte mich darauf aufmerksam, daß ich mich in der Nähe der Kathedrale befand. Auf meine Erkundigung erfuhr ich, daß man sich jetzt zum täglichen Ave Maria de la noche in die Kirche begebe, und ich schloß mich den gebetsbedürftigen Leuten an.
    Der hehre, lichtdurchflossene Raum war von so vielen Gläubigen besucht, daß die Gemeinden mancher europäischen Hauptstädte sich ein Beispiel daran nehmen könnten. Ein gemischter Chor mit Orgelbegleitung tönte von dem Chor herab. Die Sänger waren ziemlich gut geschult, aber der Organist war ein Spieler fünften oder sechsten Ranges. Er verstand das Registrieren nicht und griff sogar sehr häufig fehl.
    Die Orgel ist mein Lieblingsinstrument. Ich stieg hinauf, um mir den Mann, welcher die weihevolle Komposition von Palestrina so verdarb, einmal anzusehen. Der Kantor stand dirigierend vorn am Pult. Der Organista war ein kleines, dünnes, bewegliches Männchen, dessen Gestalt unter den mächtigen Prospektpfeifen noch kleiner erschien, als sie war. Als er sah, daß ich, an der Ecke des Orgelgehäuses lehnend, ihn beobachtete, kam ihm sichtlich die Lust, mir zu imponieren. Er zog schleunigst Prinzipal und Kornett und einige sechzehnfüßige Register dazu. Das gab natürlich einen Lärm, welcher die Vokalstimmen ganz verschlang. Dennoch erhielt er von dem Dirigenten keinen Wink. Das Kirchenstück wurde in dieser Weise bis zu Ende gesungen.
    Dann kam ein kurzes Vorspiel, welches aus einem verunglückten Orgeltrio auf zwei Manualen und dem Pedal bestand und in eine mir so bekannte und liebe Melodie leitete. Leider aber hatte der Organista oben Vox angélica, Vox humana, Äoline und Flauta amabile gezogen und dazu für die Bässe die tiefsten und stärksten Register, so daß die schöne Melodie wie ein Bächlein im Meer der Bässe verschwand.
    Das konnte ich unmöglich aushalten. Mochte der biedere Orgelschläger mich meinetwegen dafür mit ewiger Blutrache verfolgen, ich huschte zu ihm hin, schob die volltönenden Stimmen hinein und registrierte anders. Er blickte mich erst erstaunt und dann freundlich an. Mein Arrangement schien ihm besser zu gefallen als das seinige.
    Nach dem dritten Vers trat der Predicador zum Altar, um ein Gebet vorzulesen. Dies benutzte der Organista zu der leisen Frage an mich:
    „Spielen Sie auch die Orgel, Señor?“
    „Ein wenig“, antwortete ich ebenso leise.
    Sein kleines, dünnes Gesicht glänzte vor Freude.
    „Wollen Sie?“ nickte er mir einladend zu.
    „Welche Melodie?“
    „Ich schlage sie Ihnen auf und das Gesangbuch dazu. Es sind nur drei Verse. Sind Sie hier bekannt?“
    „Nein.“
    „So winke ich Ihnen, wenn Sie anfangen sollen. Erst ein schönes, liebliches Vorspiel; dann die Melodie recht kräftig mit leisen Zwischenspielen und endlich nach dem dritten Vers eine Fuga mit allen Stimmen und Kontrapunkto. Wollen Sie?“
    Ich nickte, obgleich er mehr verlangte, als in meinen Kräften stand. Eine Fuge und Orgelpunkt!
    Ich zog die sanften Stimmen zu dem ‚schönen, lieblichen Vorspiel‘, und da war auch schon das Gebet zu Ende, der Segen erteilt, und der Organista stieß mich mächtig
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