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327 - Mit eisernem Willen

327 - Mit eisernem Willen

Titel: 327 - Mit eisernem Willen
Autoren: Michelle Stern
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geholfen.
    Der Hirsch senkte den Kopf auf der Suche nach jungem Gras, rupfte es aus und kaute gemächlich. Er machte ein paar Schritte von Aruula fort und senkte das Maul erneut zu frischen Halmen hinab.
    Aruula humpelte hinter ihm her. Eine Weile folgte sie dem Tier schweigend und versuchte den inneren Aufruhr zu besänftigen. Wudans Auge würde ihr erscheinen und ihr neue Kraft schenken. Die Götter würden sie wissen lassen, was sie tun konnte, um vollständig zu genesen.
    Die Sonne stieg höher, doch Wudans Auge kam nicht. Aruula hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie schleppte sich auf eine Lichtung. Ein Bach schäumte über moosgrüne Steine, der Hirsch trank einige Längen von ihr entfernt. Auch Aruula hatte Durst. Ein Stück neben dem Tier ging sie auf alle viere nieder, beugte sich vor und schöpfte mit einer Hand Wasser, bis sie satt war.
    Ermattet lies sich Aruula in weiches Moos sinken. Erst durch das Liegen und die Ruhe wallte der Schmerz ganz auf, nun verdrängte sie ihn nicht mehr. Ein leises Wimmern kam über ihre Lippen. Sie biss sich in die Faust.
    Es ist eine Probe. Wudans Auge will, dass ich auf dieser Lichtung ausharre.
    Sie streckte das Bein mit dem schmerzenden Knie lang aus und stützte sich seitlich auf die Unterarme. Es tat weh, noch immer nicht auf die Dreizehn Inseln zurück zu können. Seit dem Meteoriten-Schauer machte sie sich Sorgen. Vielleicht waren ihre Leute auch betroffen und brauchten ihre Hilfe.
    »Eine Königin sollte bei ihrem Volk sein«, murmelte sie, so leise, dass das Plätschern des Bachs es übertönte. »Das ist ihr Platz.«
    Ihr Blick fuhr über eine verblasste Linie auf dem Oberschenkel. Aruulas Körper fühlte sich schwerer an als die Felsen am Wasser. Das Brennen in ihrem Rücken ließ nur langsam nach. Sie hatte das Gefühl, nie mehr aufstehen zu können. Am besten, sie ruhte sich einen Augenblick aus.
    Wie es ihnen wohl geht auf den Dreizehn Inseln? Aruula wusste nur zu gut, dass ihr Volk eine Königin brauchte. Die Kriegerinnen wollten eine starke Führung. Vielleicht... nein, ganz bestimmt war es ein Fehler gewesen, Maddrax zum Südpol zu folgen. Er hatte ihre Hilfe letztlich nicht gebraucht, sie aber hatte ihre Schwestern seinetwegen im Stich gelassen.
    Rebeeka , dachte sie intensiv, obwohl sie wusste, dass selbst eine so begabte Lauscherin wie Rebeeka sie nicht über die große Entfernung hören konnte. Rebeeka, meine Schwester, beschütze meine Inseln.
    ***
      Auf den Dreizehn Inseln
    Tumaara stand auf dem Hügel vor dem Dorf und blickte zum Strand hinunter. Der Wind riss an ihren blonden Locken, von Ferne hörte sie vom kalten Sund her das Klatschen der Wellen. Es klang unruhiger als sonst.
    »Artoo wütet im Wasser«, sagte Ludmeela neben ihr und rieb sich den Armstumpf, als habe sie Phantomschmerzen. »Das Meer erbebt unter seinen peitschenden Schlägen, seit die Lichter der Götter den Himmel streiften.«
    »Ja«, sagte Tumaara einsilbig. Sie dachte an Maddrax, den Mann aus einer anderen Zeit, der einige Wochen mit ihr gereist war. Wie würde er die Götterlichter wohl erklären? Ludmeela war zu sehr Kriegerin der Dreizehn Inseln, um mit ihr darüber zu reden. Für sie stritten die Götter, aber was steckte wirklich hinter der Veränderung des Meeres? Tumaara war sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen den Lichtern und dem Meer gab, und der war bedenklich.
    »Ob die Flut noch weiter steigt?«, Ludmeelas Stimme klang ängstlich. Der ansteigende Pegel hatte dafür gesorgt, dass bereits ein Dorf am Strand überrollt worden war und die Bewohner gezwungen hatte, sich weiter ins Landesinnere zurückzuziehen.
    »Wudan ist mit uns«, beruhigte Tumaara die Jüngere. Sie drehte sich zu ihr um. Die Sonne stand im Zenit. »Wir müssen los.«
    Die beiden Kriegerinnen machten sich schweigend auf den Weg zum Rat. Tumaara ging der Anblick des wogenden Meeres nicht aus dem Sinn. Wie leicht ließen sich urwüchsige Ungeheuer vorstellen, die dort unten in der Tiefe titanenhafte Kämpfe austrugen. Ob es doch die Götter waren, die miteinander stritten? Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und konzentrierte sich auf die anstehende Versammlung.
    Alle waffenfähigen Frauen waren auf den Platz vor der Festung eingeladen worden. Seit Juneedas Tod und Aruulas Fortgang herrschte eine gedrückte Stimmung im Volk. Zwar hatte Aruula eine Nachfolgerin bestimmt – Tumaaras jüngere Schwester – doch Rebeeka war durch die Schatten und die Annäherung des Streiters verwirrt worden.
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