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326 - Schlangenmenschen

326 - Schlangenmenschen

Titel: 326 - Schlangenmenschen
Autoren: Manfred Weinland
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rudimentäre Reste, denen die einstigen Lebensgrundlagen, so sie auf technologischem Fortschritt basierten, entzogen worden waren.
    Back to the roots – zurück zu den Wurzeln des menschlichen Überlebenskampfes, lautete die Devise. Wer dies in den Jahrhunderten nach »Christopher-Floyd« zu akzeptieren gelernt hatte, dem war ein zwar hartes Leben, aber immerhin ein Leben beschieden. Wen die neuen Gegebenheiten überforderten, dessen Blutlinie war 2012 und in den Folgejahren ausradiert worden. Unwiederbringlich.
    2528 gab es keine Landzunge mehr, die Nord- mit Südamerika miteinander verband. Der steigende Meeresspiegel hatte von Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras und Guatemala nur noch vereinzelte Tupfer in der Wasserwüste hinterlassen, manche nicht größer als ein Atoll, andere als kleine Inseln, auf der eine karge Vegetation den ewigen Winden trotzte. Auch Puerto Rico, die Dominikanische Republik und Kuba waren von den aktuellen Landkarten verschwunden. Zwischen der Küste des heutigen Amraka und dem nördlicher gelegenen Kontinent war nichts als Meer.
    Miki Takeo war froh, die Strecke zum Zielpunkt Kourou nicht mit einem langsameren Vehikel als dem Shuttle zurücklegen zu müssen. Ebenso wie in Matthew Drax, war auch in ihm die Neugier erwacht, was es mit dem mysteriösen Raketenabschuss auf sich hatte. Die Vorstellung, dass in Kourou auch nach einem halben Jahrtausend der weltweiten Barbarei noch eine intakte Raketenabschuss-Basis existieren könnte, verlangte schon eine gehörige Portion an Ignoranz.
    Ignoranz insofern, dass der gesunde Menschenverstand jede Menge Fakten ignorieren musste, die es eigentlich hätten unmöglich machen müssen, den Raumhafen von einst ins Hier und Heute herüberzuretten. Was hauptsächlich mit dem Zahn der Zeit, sprich: Korrosion, und der Synapsenblockade der Daa’muren zu tun hatte.
    Letztere hatte in den Jahrhunderten nach dem Kometen eine weltweite Verdummung bedeutet. Als die Außerirdischen auf der Suche nach einem kompatiblen Körper, in den ihre in Kristallen gespeicherten Geister fahren konnten, die menschlichen Gehirne scannten, erkannten sie, dass diese zu hoch entwickelt waren. Mittels der so genannten CF-Strahlung starteten sie eine beispiellose Degeneration, der fast die gesamte oberirdisch lebende Bevölkerung zum Opfer fiel. Weniger stark betroffen waren nur jene Gebiete, in denen die Kristalldichte geringer war. Und ausgenommen nur jene Menschen, die, geschützt von dicken Bunkerwänden, unterirdisch lebten: die späteren Technos.
    Lassen wir uns überraschen , dachte der Android. Und nutzte die Zeit, die das Shuttle, mit allen erforderlichen Parametern gefüttert, seinem Ziel quasi mittels Autopiloten entgegen strebte, auf ganz persönliche Weise.
    Die Verbindung zwischen Cockpit und Passagierraum war von Xij geschlossen worden, als sie sich gemeinsam mit Maddrax eine Auszeit genommen hatte. Dadurch hatte auch Miki das Maß an Privatsphäre gewonnen, das er sich wünschte, um ein bestimmtes Fach in seinem Plysteroxkörper zu öffnen.
    Vorsichtig nahm er den Datenkristall heraus, den Matt Drax ihm überlassen hatte. Eine Gedächtniskopie seines verstorbenen Sohnes Aiko Tsuyoshi.
    Bislang hatte Miki dem Wunsch widerstehen können, sich in den Kristall einzuloggen. Und das würde es auch weiterhin nicht tun. Weil er bezweifelte, dass er mit dem, was sonst über ihn hereingebrochen wäre, umgehen zu können.
    Er dachte an Shiro, den Androiden mit Aikos Gedächtnis, den seine letzten zwei Mitarbeiter in Amarillo als Geschenk für ihn erschaffen hatten. [2] Er war seinem Vater zunächst heimlich gefolgt und hatte ihn im Kampf gegen Arthur Crow in Waashton unterstützt. Doch Shiro war an seinen Erinnerungen verzweifelt; daran, nicht mehr der wirkliche Aiko Tsuyoshi zu sein. Er hatte sich Miki schließlich offenbart und um die Löschung all jener Gedächtnisinhalte gebeten, die seine Vergangenheit als Aiko betrafen.
    So hatte Takeo seinen Sohn, der sich von nun an Shiro nannte, ein zweites Mal verloren. Und obwohl er doch eigentlich frei von allen Emotionen sein sollte, hatte ihn diese Erkenntnis tief erschüttert.
    Mit dem Kristall hatte ihm Matt die Option auf eine zweite Chance gegeben. Eines Tages würde er einen geeigneten Kunstkörper schaffen, in den er den Dateninhalt übertragen konnte – und dieses Mal dafür sorgen, dass Aiko seine Identität akzeptieren konnte.
    Minutenlang wog Miki den winzigen Kristall in seiner Hand, die statt von Knochen,
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