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309 - Die Rache der Hydriten

309 - Die Rache der Hydriten

Titel: 309 - Die Rache der Hydriten
Autoren: Michelle Stern Sascha Vennemann
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seltsame Faszination ging von ihm aus, eine rührende Unsicherheit, gepaart allerdings mit einer starken charismatischen Präsenz.
    Ihr Magen meldete sich plötzlich. Sie hatte seit dem Morgen nichts mehr gegessen und hatte gerade aufbrechen wollen, um sich etwas für den Abend zu besorgen, als der Kleine aufgetaucht war. Jetzt konnte sie nicht so einfach los, schließlich musste sie sich um ihren unverhofften Gast kümmern.
    »Warte mal.« Sie holte den Lederbeutel, den sie auf den Rücken geschoben hatte, nach vorne und lockerte die Kordel. Misstrauisch neigte das Wesen den Kopf, langte nach dem Stab. War das seine Waffe?
    »Keine Angst!«, versuchte Keeva zu beschwichtigen. »Hier.« Sie griff in den Sack und holte einen mit braunem Wachspapier umwickelten Klumpen heraus. »Das ist nichts Gefährliches. Nur etwas zu essen.«
    Deutlich sichtbar legte sie das Päckchen vor sich ab und faltete es auf. Darin befand sich eine dunkle Masse, von der ein stark würziger Geruch ausging.
    Das Wesen zuckte misstrauisch mit den Nasenschlitzen.
    Keeva kicherte, während sie ein Stück von der Masse abzwackte und sich in den Mund schob. »Das ist Pemmikan«, erklärte sie. »Sättigend und haltbar. Wenn man gerade nichts anderes hat, ist das genau das Richtige. Ich hab immer was dabei, falls sich mal wieder nichts Besseres findet. Hier, probier mal!« Sie schob ihm den Klumpen aus Talg, Fett, Gewürzen und getrocknetem Fleisch hin.
    Der Kleine stupste die Masse zuerst mit dem Stab an, dann griff er danach und hielt sie sich vors Gesicht. Blinzelnd beobachtete er, wie Keeva sich das Zeug in den Mund stopfte, ausführlich kaute und schluckte.
    »Na los!«, ermutigte sie ihn. »Ist gar nicht so übel, wenn der Magen leer ist...«
    Erneut schnupperte das Wesen, teilte dann etwas mit der Flossenhand ab und stopfte es sich ins Fischmaul.
    Gespannt wartete das Indianermädchen die Reaktion ab. Keeva meinte zu erkennen, wie sich die Augen des Wesens erst zusammenzogen und dann vor Verzückung weiteten. Offenbar schmeckte es ihm!
    Mit wachsender Begeisterung mampfte es in der nächsten Viertelstunde beinahe den gesamten handgroßen Pemmikanklumpen. Keeva sah ihm dabei zu und freute sich, so eine gute Gastgeberin zu sein.
    ***
    Erst als das Mädchen ihm etwas zu essen anbot, bemerkte Ur’gon, wie hungrig er eigentlich war. Seine überstürzte Flucht aus der angegriffenen Qualle, der Kampf gegen den Riesenkraken, der strapaziöse Flug, die Verfolgung durch die Menschen hier in der Stadt... Er wunderte sich, dass die Erschöpfung ihn nicht längst übermannt hatte.
    Aber jetzt, da er endlich zur Ruhe kam, da meldeten sich Müdigkeit, Hunger und Schmerzen.
    Und Verwirrung. Die beiden Extreme im Verhalten der Menschen, mit denen er im Verlauf der letzten Stunde konfrontiert worden war, brachten ihn durcheinander. Erst wurde er von Barbaren gejagt, dann von einer anderen Lungenatmerin gerettet. Warum hatte sie das getan? Warum setzte sie sich bewusst der Gefahr aus, von ihm verletzt oder getötet zu werden? Konnten sie vielleicht gar nicht so weit vorausschauend denken?
    Wie auch immer, im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als in Gesellschaft des Menschenmädchens zu bleiben. Es wäre Selbstmord gewesen, jetzt in die Straßen zurückzukehren.
    Das Zeug, das ihm das Mädchen da zu essen gegeben hatte, schmeckte teuflisch gut. Er hatte noch nie so etwas Intensives geschmeckt. Das Aroma durchdrang ihn und erfüllte ihn mit neuer Kraft, von der er nicht gewusst hatte, dass sie noch in ihm steckte.
    Es war faszinierend. Mit jedem Bissen spürte er seine Muskeln mehr, wurde sein Geist klarer und fokussierte sich auf das, was vor ihm lag. Er würde einen Augenblick ruhen, kurz die Augen schließen, seine Ressourcen wieder auffüllen, damit er bereit war für den letzten Schlag.
    Nachdenklich schloss der Assassine die Augen. Es gab unter den Barbaren also auch tatsächlich solche, die den Hydriten weder feindselig gegenüberstanden noch abweisend reagierten. Dieses junge Menschenweibchen war aber anscheinend die Ausnahme. Er würde ihr nichts tun; das war er ihr schuldig. Sie hatte nichts mit dem Menschen zu tun, der in seiner Heimatstadt gewütet, Angst, Tod und Schrecken verbreitet hatte.
    Ur’gon war müde. Er gab seine sitzende Position auf und rollte sich auf dem Boden des Zimmers zusammen. Den Helm hatte er abgenommen.
    Das Mädchen, immer noch ohne Scheu oder Ekel, warf ihm eine Decke zu, die er sich unter den Kopf legte. Wenn er
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