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248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten
Autoren: Jo Zybell
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ihn vollständig ein und verschlang ihn endgültig.
    Der Kaiser brüllte wie ein waidwundes Tier, hieb nach allen Seiten, spürte kaum noch seinen Arm, spürte auch nicht, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Obwohl er längst wusste, dass er seinen Sohn nie wieder sehen würde, drosch er auf die Pilzbarriere ein, die sich auf der Torschwelle inzwischen hüfthoch aufbäumte und mit hundert Tentakeln und tausend Fäden nach ihm grapschte!
    Und dann schien auch für ihn alles zu spät zu sein: Von hinten fiel quallige Pilzmasse ihn an, von den Seiten zerrten Tentakel an ihm, und schon schob sich der gefräßige Organismus an seinen Beinen hinauf. Warum um alles in der Welt kam ihm seine Leibwache nicht zur Hilfe?
    Sechs der Soldaten gelang es schließlich, zu ihm vorzudringen und ihn zu retten. Mit Äxten, Säbeln und Dolchen arbeiteten sie sich durch das stinkende, schleimige Gewebe. Ein hünenhafter Colonel namens du Maisonrouge bekam den Kaiser am Kragen zu fassen und zog ihn aus den tödlichen Wucherungen, während die fünf anderen ihren Rückzug sicherten.
    Die Männer brachten de Rozier weg von der Aufzugsstation. »Überprüft auch die anderen Ankerseile auf Pilzbefall«, brüllte du Maisonrouge. »Wir müssen diese Ausgeburt der Hölle aufhalten!«
    Pilatre de Rozier war wie gelähmt. Er sah aufgeregte Männer und Frauen durch die anbrechende Nacht rennen, von überall her gellten Schreie und Befehlsrufe. Und er wusste: Mit Waffengewalt war die Invasion nicht zu stoppen. Es gab nur eine Möglichkeit… »Zum Kerker!« Mit letzter Kraft zwang er sich zu einem Befehl. »Nehmt eine Roziere! Maddrax' Sohn beherrscht den Pilz! Betäubt den Pflanzenmagier mit dem Gas…!«
    Colonel du Maisonrouge salutierte. »Hinter mir her!« Er und seine Männer stürmten Richtung Flugfeld davon. De Rozier wusste, dass er sich auf den Offizier verlassen konnte. Er wandte sich an die restlichen Soldaten. »Wir müssen versuchen –«
    Er stockte, als mit einem Mal ein Schatten über Wimereux fiel. Er zuckte zusammen. Eine Wolkenfront, die den Mond verdunkelte? Die Stadt war plötzlich so finster, als wären sämtliche Sterne und der Mond erloschen.
    De Rozier hatte lange nicht auf den Himmel geachtet, nun legte er den Kopf in den Nacken und blickte hinauf. Bis ins Mark erschrak er. Alle auf Wimereux-à-l'Hauteur schienen bis ins Mark zu erschrecken, und einen Wimpernschlag lang herrschte fast vollständige Stille. Dann aber erhob sich umso lauteres Geschrei: Die Silhouette eines Ungeheuers kreiste dicht über der Stadt!
    Ein fliegender Riesenrochen griff an!
    ***
    Drei Tage zuvor
    Matt und Aruula übernachteten in einer Oase am Rande der Todeswüste, die für sie beide ihren Schrecken verloren hatte. Der lebensfeindliche Gürtel, der Afra in Nord und Süd teilte und eine Durchquerung zu einem unkalkulierbaren Risiko machte, war mit dem Gleiter leicht zu überwinden gewesen. Er trotzte selbst den tückischen Fallwinden, die jeden Ballon zum Absturz brachten.
    Im Laderaum des Fluggeräts hatten sie sich ein Lager aus Decken und Fellen eingerichtet. Manchmal tastete Aruula nachts nach Maddrax, der neben ihr schlief.
    Aber nicht in dieser Nacht; Decken und Felle waren kalt. Vermutlich drehte er irgendwo draußen unruhig seine Kreise um den Gleiter. Sie ahnte ja, wie es in ihm aussah. Seine Schlaflosigkeit begann ihr Sorgen zu machen.
    Lange nach Mitternacht – Maddrax' Lager war noch immer leer – stand sie auf und ging zur Hauptluke. Die war nur angelehnt. Aruula drückte sie auf und äugte in die Nacht hinaus. Ein sternklarer Himmel wölbte sich über der kargen Landschaft. Im Licht des Mondes sah die Barbarin ihren Gefährten am Rande der Oase mit gesenktem Kopf zwischen Dattelpalmen schlendern.
    So also sah ein Mann aus, der an nichts dachte.
    Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Süden. Der Victoriasee war nicht mehr fern. Aruulas Herz schlug höher. Gern hätte sie ihre Aufregung mit Maddrax geteilt, schließlich war Daa'tan ihr gemeinsamer Sohn, ihre gemeinsame Sorge.
    Doch er redete wenig, schon seit Tagen, vergrub sich in sich selbst und behauptete an nichts zu denken. Sie wusste, dass er grübelte; sie wusste, dass er litt.
    Drei Stunden hockte sie neben ihm im Sessel des Copiloten. »Ich bin traurig«, brach sie endlich das Schweigen. »Ich könnte heulen, so traurig bin ich.« Er sah sie von der Seite an und nickte stumm. Offenbar das Eingeständnis, dass es ihm ähnlich ging. Das machte ihr
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