Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2366 - Unter dem Kristallgitter

Titel: 2366 - Unter dem Kristallgitter
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
es versuchte den letzten Lebensfunken in meinem Körper zu ersticken. All die Empfindungen und Qualen, die ich in diesen Augenblicken durchlitt, deuteten auf den Übergang unseres Schiffes in den Hyperraum hin. Die gewohnten räumlichen Dimensionen lösten sich auf. Nur der Eindruck des Gitternetzes blieb als einziger, scheinbar dreidimensionaler Bezug erhalten. Ich versuchte mich daran festzuklammern, weil ein Sog mich ergriff und an mir zerrte. Aber ich besaß keine Arme und Beine. Es gab nichts Materielles mehr, keine festen Gegenstände, keine Orientierungspunkte...
    Unendliche Leichtigkeit überschwemmte mich, ich schwebte körperlos im Nichts.
    Im hintersten Winkel meines Bewusstseins wartete die unbarmherzige Logik des Extrasinns auf das leise Zupfen von ES.
    Fand die Superintelligenz einen Weg, von ihrem jetzigen Aufenthaltsort Kontakt mit ihr aufzunehmen?
    ES kann unmittelbar neben dir sein, aber in einem völlig anderen Universum!, redete ich mir ein.
    Erste Zweifel tauchten in mir auf, dass ich tatsächlich starb. Gewiss, in diesen Augenblicken des Wechsels vom Leben zum Tod dehnte sich die Zeit angeblich zu einer kleinen Ewigkeit, glich sich das Zeitempfinden an die Geschwindigkeit neuronaler Vorgänge im Gehirn an, das einzige wahre Echtzeiterlebnis eines Körperwesens im Lauf seiner Existenz.
    Noch halten die Schirme! Die Einflüsse des Hyperraums dringen nur teilweise durch.
    Die Konsistenz des Kontursessels unter mir hatte sich verändert. Die weiche Polsterung fehlte, das Fesselfeld schien erloschen. Ich sah übergangslos rosaroten Nebel um mich, der schmatzende Geräusche von sich gab. Etwas beschleunigte meinen Körper, ich prallte gegen eine harte Unterlage. Augenblicklich bekam ich stechende Kopfschmerzen, die mir fast das Bewusstsein raubten.
    Schließlich wurde es um mich herum schwarz - eine seltsame Schutzwand von allenfalls Kniehöhe. Als ich mich aufrichtete, sah ich mühelos darüber hinweg.
    Es konnte nur ein Traum sein. Um mich herum erstreckte sich eine Wiesenlandschaft mit sanften Hügeln, darin keine Anzeichen des Todes oder, des Vergehens. Alles sah irgendwie natürlich oder zumindest naturbelassen aus. Ich kratzte mich am Kopf, in dem es summte wie in einem Bienenstock.
    Meine Zweifel wuchsen. Der Tod, wie ich ihn mir vorstellte und wie er mir zigmal in meinem Leben begegnet war, sah anders aus, nicht so ruhig und friedlich.
    Eine Illusion des Hyperraums? „Was sagt die Ortung?" Die nüchterne Frage passte nicht zu der Situation, sie dokumentierte meinen verzweifelten Versuch, den Bezug zur Wirklichkeit nicht zu verlieren. Meine Stimme klang mir fremd, fast metallisch.
    Niemand antwortete. Ich stemmte mich mit den Armen aus dem feuchten Gras, kniete kurz und stand zögernd auf. Leichter Schwindel warnte mich vor ruckartigen Bewegungen. Die schwarze Wand um meine Beine schrumpfte, je weiter ich mich aufrichtete. Schließlich verschwand sie im Boden.
    Ich sah mich um. Die Zentrale der HALLEY und ihre Insassen fehlten, ebenso die Schiffe des Geschwaders und die PONTON-Tender. Ich war allein mitten in dieser Landschaft, schnupperte vorsichtig und atmete tiefer ein, als mein Multifunktionsarmband Entwarnung gab.
    Die Luft eignete sich für Sauerstoffatmer wie mich, sie roch frisch und würzig, eben nach Natur. Ich ging ein paar Schritte über den weichen, leicht nachgiebigen Boden.
    Die Schwerkraft lag unterhalb des gewohnten Standardwerts. „Tut mir leid, aber das sieht nicht nach einer Ungültigen Transmission aus", stellte ich sarkastisch fest in der Hoffnung, ein heimlicher Beobachter würde meine Worte hören und die Projektion abschalten.
    Narr!, meldete sich der Extrasinn. Was du siehst, spürst und riechst, ist real, es ist die Wirklichkeit. Du bist nicht in der HALLEY und auch nicht in einer lemurischen Station!
    Der Entfernung zum Horizont nach zu urteilen, befand ich mich auf einem größeren Himmelkörper.
    Aber wie kann das sein?
    Mein Logiksektor antwortete nicht darauf.
    Das alles war auch nicht logisch. Es war...
    Mein Brummschädel ließ nach.
    Gleichzeitig klärten sich meine Sinne. Ich musterte die Hügel und die Ebene, in der ich stand. Der Wind strich durch das knöchelhohe Gras. Es war hell auf dieser Welt, aber am Himmel standen keine Roten Zwerge. Da hing überhaupt keine Sonne.
    Mein Misstrauen wuchs ins Unendliche.
    Ich warf mich zu Boden, um nicht gesehen zu werden - ein lächerlicher Versuch, denn wenn jemand mich beobachtete, hatte er mich längst bemerkt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher