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227 - Herr des versunkenen Reiches

227 - Herr des versunkenen Reiches

Titel: 227 - Herr des versunkenen Reiches
Autoren: Stephanie Seidel
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keinen Unterschied für ihn, ob die Gespräche hochgeistig oder trivial waren. Er sehnte sich nach Ruhe. Die er in Gilam’esh’gad endlich finden würde…
    Gilam’esh’gad. Allein der Name war voller Magie. Verborgenes Wissen, rätselhafte Bauten, Dinge von nie gekannter Funktionalität und Präzision. Relikte einer fremden Kultur, die ihren unvergleichlich höheren Zenit bereits vor Jahrtausenden erreicht hatte – zu einer Zeit, als die Menschheit nichts weiter war als ein Eintrag auf der Liste primitiver Lebewesen.
    Kein Wunder, dass Matt sich für diese Reise interessieren ließ. Es wäre ja auch nahezu frevelhaft gewesen, eine solche Chance verstreichen zu lassen. Immerhin würde die alte Hydritenstadt ihrem Besucher einen Blick in die eigene Vergangenheit erlauben. Hinzu kam, dass es selbst in der hoch technisierten Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts, aus der Matt stammte, nie möglich gewesen war, derartige Meerestiefen zu erforschen. Somit war Commander Matthew Drax definitiv der erste Mensch, der das versunkene Reich der Hydriten betrat. Das hatte was! Es klang nach Mondlandung, dem Aufpflanzen der amerikanischen Flagge und zur Legende gewordenen Sätzen wie: »That’s one small step for a man, but one giant leap for mankind«.
    Dass sie in diese Tiefe vorstoßen konnten, verdankten sie der hydritischen Transportqualle, die sie in einer verlassenen Forschungsstation im Mekong-Delta entdeckt hatten. Gilam’esh war es gelungen, sie zu reaktivieren. Es handelte sich um einen Prototyp, der mit etlichen Zusatzfunktionen ausgestattet war. Einige hatte Matt inzwischen enträtselt. So besaß sein bionetischer Flitzer einen kurzfristig zuschaltbaren Turboantrieb, der die Quallententakel dazu brachte, statt ihres üblichen Wellenschlags die Schwimmbewegung großer Kalmare zu imitieren. Bei horizontaler Fahrt schoss der Prototyp dann jedes Mal aus einer Wolke Luftbläschen hervor. Das hielt nicht nur interessierte Raubfische auf Distanz – es machte auch Spaß!
    Gut auch, dass die Hydriten sowohl Kiemen-, als auch Lungenatmer waren; nur deshalb war es überhaupt möglich gewesen, den Fahrgastraum leer zu pumpen und die Reise trockenen Fußes zu unternehmen. Es gehörte bei den Hydriten zur Überlebensstrategie, in beiden Lebensräumen fit zu sein, denn nicht selten kam es vor, dass man sich an Land bewegte. Auch in Gilam’esh’gad würden daher genügend luftgefüllte Räume zur Verfügung stehen.
    ***
    Tauchtiefe: 6.000 Meter
    »Mahlzeit!«, wünschte Matt und fiel hungrig über seine Proviantration her. Viel war es nicht; genauer: ihre letzten kargen Vorräte, denn sie hatten überstürzt aufbrechen müssen, ohne sich mit frischen Nahrungsmitteln eindecken zu können. Er saß auf dem Boden des organischen Cockpits und genoss einen Panoramablick auf die faszinierenden Wesen der Tiefsee. Sie kamen nur selten so nahe an die Quallenhaut heran, dass sie sich aus der undurchdringlichen Schwärze des Wassers lösten.
    Vielmehr, und darin lag die Faszination, tobte draußen ein lautloses Feuerwerk biolumineszenter Farbpunkte. Da waren Anglerfische unterwegs, die ihren grün leuchtenden, fadenförmigen Rückenflossenfortsatz als Köder benutzten; balzende Kalmare, über deren Körper bunte Lichtschauer liefen, und ein gejagter Krebs. Um seinen Verfolger in die Irre zu führen, spuckte er eine Flimmerwolke aus, ehe er blitzschnell den Kurs änderte. Sie glühte noch, als er längst weg war.
    Aruula und Yann hatten sich Matt gegenüber niedergelassen. Schweigend, ohne augenfälliges Interesse, nahmen sie ihre Mahlzeit zu sich. Für Yann mit seiner Fähigkeit, Energiespuren zu sehen, war die endlose Abfolge vorbei huschender Wesen ein Anblick, der Schwindel hervorrufen musste. Für Aruula war es die Vorhölle. Lebewesen der Tiefsee hatten mehr Ähnlichkeit mit Dämonen als mit dem, was normalerweise in der Pfanne landete.
    »Wenn wir erst unter zehntausend Metern sind, hört das auf«, versuchte Matt seine Gefährten aufzumuntern. »Ich glaube nicht, dass es am Grund des Marianengrabens Fische gibt. Da wird kaum mehr unterwegs sein als Plankton.«
    Aruulas Antwort war ein Schreckenslaut. Sie hatte bei seinen Worten den Kopf gehoben und zeigte jetzt an Matt vorbei. Er fuhr unwillkürlich zusammen, als er ihrem Blick folgte. Draußen vor dem Bug schwebten zwei Beilfische. Ihre überdimensionalen Glotzaugen saßen vorn am Kopf statt an den Seiten. Wie Kugeln ragten sie aus den Höhlen. Dazwischen lag eine
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