2106 - Der weiße Tod
Transporter zurückgekehrt bist, mit dem die einundzwanzig Minenarbeiter zu den Bergen aufgebrochen sind - heute Morgen. Aber ich mache mir meinen Reim darauf. Du bist mit ihnen gefahren!"
„Das stimmt", gab Boi unumwunden zu. Was hätte er auch sonst antworten können?
„Warum?", fragte der Sekretär.
„Das werde ich der Prinzessin berichten", antwortete Boi. Nein, dachte er, beichten!
„Wo sind die anderen?", hakte Tidous nach. „Warum hast du sie nicht mit zurückgebracht?
Wo ist Hauptmann Zuliff er?"
„Tot", sagte Liktus mit gesenktem Kopf.
„Zuliffer tot?", zirpte der Assistent aufgeregt, und Boi glaubte, einen stillen Triumph in seinen Augen zu sehen. Natürlich! Sein Hauptkonkurrent um Scharanays Gunst existierte nicht mehr. „Das musst du mir ganz genau erklären. Wie ist es passiert?"
„Nichts werde ich dir erklären!", wehrte Liktus Boi ab. „Entweder du lässt mich jetzt zu der Prinzessin, oder ich schreie den ganzen Palast zusammen und werde berichten, wie sehr dir der Tod des Hauptmanns der Garde zustatten gekommen ist."
„Versuch das nur!", höhnte der Sekretär. .„Ich werde..."
„Nichts wirst du tun, weil jeder hier weiß, dass du auf die Prinzessin aus bist und dem Hauptmann den Tod an den Hals wünschtest. Also, lässt du mich jetzt gehen, oder muss ich schreien?"
Für einen Augenblick standen sie sich gegenüber, fast kampfbereit. Aber Liktus Boi konnte hier nichts mehr schrecken, seitdem er bei der Mine dem Tod ins Auge gesehen hatte.
„Dann geh doch!", schrie Bar Tidous und stampfte mit wütenden Schritten davon.
„Bar?", erklang die Stimme der Prinzessin aus den Gemächern hinter der Tür.
„Nein, Scharanay", sagte der Gelehrte, nachdem er eingetreten war. „Es tut mir Leid, wenn du ihn erwartet haben solltest."
„Liktus!", entfuhr es der Prinzessin. Sie hatte in einem hohen Stuhl gesessen und melancholische Musik gehört. Jetzt schaltete sie sie aus und erhob sich. „Du bist schon wieder hier? Ist etwas passiert? Nun sprich schon!"
Sie sah womöglich noch elender aus als am Morgen, aber Boi verkniff sich jede Bemerkung. Es war schlimm genug, was er ihr zu sagen hatte.
„Bitte setz dich wieder, Prinzessin!", bat er sie, und sie gehorchte. Er roch ihr süßliches Körpersekret, ein weiteres Zeichen für ihre Erregung und Verzweiflung. Auch am Morgen war es ihm schon aufgefallen. „Was ich dir jetzt zu sagen habe, ist nicht leicht für mich - und um so schwerer zu verstehen für dich."
„Was ist es? Sprich!", flehte die Prinzessin.
Liktus Boi erzählte alles. Er ließ in seinem Bericht nichts aus, weder die Verschwörung des Hauptmanns noch dessen furchtbaren Tod. Auch über seine eigene Rolle sprach er schonungslos. Sein Bericht endete mit dem Ultimatum der E'Valenter.
„Sag das noch einmal!", bat die Prinzessin mit zitternder Stimme. „Auch Hauptmann Imm Zuliffer befindet sich unter den Toten?"
„So ist es, leider, Prinzessin."
Scharanay rang nach Luft. Dann brach sie in ihrem Stuhl zusammen.
Liktus Boi hörte einen der Vögel in den in jedem Raum stehenden Käfigen. Es war ein trauriger Laut, und der Gelehrte sah, dass in den Käfigen Vögel tot auf dem Rücken lagen.
*
Zuliffers Worte waren also die Wahrheit gewesen, stellte Liktus Boi fest. Es gab diese „zarten Bande" zwischen ihm und der Prinzessin, vielmehr hatte es sie gegeben. Und sie waren so stark gewesen, dass Scharanay bei der Nachricht vom Tod ihres Geliebten in eine tiefe Ohnmacht gesunken war.
Liktus hatte die Wachen alarmiert. Inzwischen kümmerte sich der ganze Hofstaat um das Wohl der Prinzessin, allen voran ihre Töchter und die Heiler aus dem Palast.
Bar Tidous, der Privatsekretär mit eigenen Ambitionen, hielt den Gelehrten auf einem der prachtvollen Korridore an und drohte ihm: „Wenn die Prinzessin stirbt, stirbst du auch - mein Wort darauf. Niemand wird je herausfinden, wer dein Mörder war!"
Liktus gab keine Antwort. Tidous richtete sich drohend auf das dritte Beinpaar auf. Die vorderen Extremitäten schössen vor. Tidous schüttelte Boi heftig, hebelte ihn zu Boden und stakste dann davon, verschwand in einer Seitentür.
Der alte Gelehrte richtete sich unter Schmerzen auf, wenngleich sie nicht schlimmer waren als die Schmerzen an seinem Hals, an der verbrannten Haut. Er röchelte und musste sich für fast eine Minute auf alle sechs Gliedmaßen stützen. Dann sah er wieder klar und richtete sich zu der gewohnten Haltung auf.
Schwankend taumelte er durch die
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