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1935 - Der Gesang der Stille

Titel: 1935 - Der Gesang der Stille
Autoren: Unbekannt
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tief in den leeren Augenhöhlen, und blutige Gallerte lief ihm rechts und links über die Schläfen in die Ohren und in die Haare. „Ich habe es geschafft", flüsterte er, als Bull neben ihm niederkniete. „Ich dachte erst, ich bringe es nicht fertig...Ich dachte wirklich, ich schaffe es nicht, aber ich hab's geschafft, nicht wahr?"
    Bull schluckte mühsam. „Ja, Skill", brachte er heraus. „Du hast es geschafft. Die Korrago rühren sich nicht mehr."
    „Ich sehe schrecklich aus, nicht wahr?"
    „Kann man sagen."
    „Erschrick jetzt nicht! Ich lasse zwei Korrago die Treppe heraufkommen, damit ich durch ihre Optiken sehen kann."
    „Alles klar." In seinem Magen revoltierte etwas, aber Bull beugte sich trotzdem hinunter, um sich die Wunde genauer anzusehen. Er sah leere, fleischig klaffende Öffnungen, blutverschmiert. An den goldschimmernden Adaptern hingen noch Reste der Augäpfel. Skill hatte sogar daran gedacht, die Umgebung der Augen vorher zu desinfizieren.
    Hinter sich hörte er schwere Schritte. Zwei der schwarzen Riesen kamen die Treppe heraufgestapft, kamen näher und blieben dann stehen. „Ach so", sagte Skill. „Würdest du bitte unsere Deflektoren abschalten?"
    Reginald Bull zögerte. „Du hast wirklich den ganzen Stützpunkt im Griff?"
    „Völlig. Ein unbeschreibliches Gefühl. Ich sehe durch Tausende von Augen, höre durch Tausende von Ohren, habe Tausende von Händen. Es ist wundervoll."
    „Na schön." Bull desaktivierte ihre Deflektorschirme. Er sah, wie es in Skills Gesicht zuckte, als der junge Terraner sich durch die Augen der Korrago so liegen sah. „Ich sehe ja wirklich schrecklich aus", murmelte er. „Sagte ich doch." Bull warf den Korrago einen mißtrauischen Blick über die Schulter zu. „Meinst du, deine neuen Hände können uns dabei helfen, dich zurück zur Kapsel zu schaffen?"
    Skill atmete einmal tief ein und wieder aus. „Reginald..."
    „Du sollst mich Bully nennen."
    „Ich komme nicht mit zurück."
    Bull stieß einen ärgerlichen Laut aus. „Unfug! Du mußt so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung."
    „Mein neuer Platz ist hier."
    „Du wirst neue Augen bekommen. Wir bringen dich nach Alashan in eine Klinik, und in ein paar Wochen kannst du wieder sehen."
    „Ich sehe jetzt besser als je zuvor."
    „Skill, du kannst nicht hierbleiben. Auch wenn es noch so wundervoll sein mag, durch tausend Korrago-Augen zu sehen irgendwann wird das Schmerzmittel nachlassen, und dann ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Und du hast selbst gesagt, die Korrago würden dich nie akzeptieren."
    „Ich bin nicht darauf angewiesen, daß sie mich akzeptieren. Ich beherrsche sie."
    „Zu herrschen ist doch kein Lebensinhalt."
    Skill atmete ein paarmal schwer, ehe er weitersprach. „Du gehst", sagte er. „Ich bleibe."
    „Skill, sei vernünftig! Du kannst das nicht durchhalten."
    Hinter sich hörte Reginald Bull noch mehr schwere Schritte die Treppe heraufkommen, ein ganzes Bataillon, wie es klang. Er sah hoch, als die Schatten von einem Dutzend Korrago auf ihn herabfielen. „Weißt du", meinte Skill mit ersterbender Stimme, „wir brauchen darüber eigentlich nicht zu diskutieren."
     
    *
     
    Sie nahmen ihm das Deflektorgerät ab, alles übrige ließen sie ihm, sogar den Thermostrahler. Dann eskortierten sie ihn, zwölf schwarze, massive Kolosse, und wohin sie auch kamen, standen so viele Korrago schweigend Spalier, so daß nicht einmal im Traum an Flucht zu denken war.
    Bull traute kaum seinen Augen. Auf jeder Ebene des Herzdoms Tausende von ihnen, schwarze Statuen mit glänzender Haut, reglos.
    Der Pulk der Gleiter draußen rings um den Dom war ein düsterer Schwarm, der sich unruhig bewegte. Sie brachten ihn zu einem großen Transportgleiter, der genug Platz bot für ihn und seine Eskorte, und als sie über den Stützpunkt flogen, sah er auf den Dächern der Gebäude Zehntausende, nein, Hunderttausende von Korrago stehen, ein unheimlicher, ameisenhafter Aufmarsch, der ihm Schauer über den Rücken jagte.
    Große und kleine, zweiarmige und vierarmige, schmale und breite Korrago, eine unübersehbare Vielfalt, und sie standen alle bewegungslos in Reih und Glied, ergebene Truppen eines diabolischen Diktators.
    Verfolgten sie den Flug des Gleiters, der pfeilschnell auf die Pyramiden zuhielt? Dachten sie sich vielleicht ihren Teil? Wahrscheinlich nicht. Es waren Roboter, halborganische Androiden bestenfalls, hergestellt, nicht geboren.
    Sie lebten nicht, sie funktionierten. Und im
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