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191 - Das Duell

191 - Das Duell

Titel: 191 - Das Duell
Autoren: Jo Zybell
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hatte schon immer den Verdacht gehegt, dass Göttersprecher und Schamanen nicht nur geistige und seelische Kräfte freilegen konnten, die bei anderen verschüttet waren, sondern dass sie vor allem einen Weg gefunden hatten, diese freigelegten Kräfte willentlich zu nutzen und die so genannte Wirklichkeit damit zu beeinflussen.
    Die alte parapsychologische Studie hatte versucht, Telekinese, Klopfgeister, Visionen, Wahrsagerei und ähnliches durch die entfesselte Wirkung unbewusster Seeleninhalte zu erklären.
    Wenn er beides zusammennahm, waren es also die Inhalte seines eigenen Geistes, seiner eigenen Seele, seiner persönlichen Erinnerung, die hier Gestalt annahmen; vielleicht durch den Sud, den er getrunken hatte, vielleicht durch den Einfluss eines mächtigeren Geistes, als er es war.
    Vielleicht durch beides.
    »Nicht schlecht«, tönte plötzlich eine Stimme durch den Felsengang.
    Rulfan blieb stehen, drehte sich um und hob die Öllampe über den Kopf, um den Lichtkegel zu verbreitern. Niemand zu sehen. »Wer redet da? Zeig dich!«
    »Ich rede. Sieh richtig hin.« Rulfan fuhr herum – ein Mann stand neben ihm. Er leuchtete ihm ins Gesicht: Es war sein Vater…
    ***
    … er fiel und fiel und fiel. Matthew Drax stürzte in bodenlose Tiefe, und aus irgendeinem Grund wusste er, dass er das mit großer Geschwindigkeit tat. So schnell wie ein Komet, der auf einen Planeten stürzte. Seine Augen versuchten die Finsternis zu durchdringen, der er entgegenstürzte. Da war nichts zu sehen. Nichts.
    Panik und Entsetzen drohten seinen Schädel in Millionen Splitter zu sprengen. Hatten ihn die Verfolger mit einem Speer erwischt? Oder mit einem Pfeil? War das schon der Tod?
    Er hatte keinen Schmerz gespürt. Aber das musste nichts heißen – vielleicht hatten Speer oder Pfeil ihn so genau getroffen, dass er sofort tot gewesen war, dass sein Hirn nicht einmal mehr Zeit gehabt hatte, den Schmerzreiz zu registrieren.
    Wo hatte er so etwas gelesen? In irgendeinem Handbuch über Erste Hilfe an Schwerverletzten in Kampfsituationen. Und hatte man ihnen das nicht auch bei der US Air Force beigebracht? Ein Kampfpilot, dessen Jet von einer feindlichen Rakete getroffen wird, spürt keine Schmerzen mehr; vorausgesetzt, es ist ein Volltreffer. Das Hirn bekommt gar keine Gelegenheit mehr, irgendwelche Reize zu verarbeiten, und seien sie noch so stark.
    Dann war das also der Tod? Dann stürzte er also ins Nichts?
    Andererseits: Sein Hirn spürte ja, dass er stürzte. Sonst wäre er sich dessen gar nicht bewusst. Er konnte sogar die Frage aufwerfen, ob sich so eventuell der Tod anfühlte.
    Also lebte er noch.
    Der Gedanke rief sofort wieder die Panik auf den Plan.
    Er spürte, wie er stürzte und immer weiter stürzte. Aber wohin denn? Und wann würde der Aufschlag erfolgen?
    Matthew Drax wollte schreien, doch nicht einmal ein Krächzen brachte seine Kehle zustande.
    Plötzlich waren da Lichter. Viele Lichter, überall. Sie glitzerten und funkelten. Sterne? Ein Licht war größer als die anderen, es strahlte unglaublich hell. Matt Drax schloss geblendet die Augen. Er begriff, dass er die Sonne vor der Kulisse der Milchstraße gesehen hatte. Nur waren es viel zu viele Sterne ringsum. Er öffnete die Augen wieder und bemühte sich, nicht direkt in das große Licht zu blicken. War das wirklich die Sonne? Und die kleine blaue Kugel dort – war das wirklich die Erde?
    Er sah die Sichel eines Trabanten und wusste, dass er den Mond sah. Kein Zweifel: Das große, blendend helle Licht war die Sonne, das blaue Kügelchen war die Erde, die Sichel war der Mond.
    Sichel und blaue Kugel wuchsen, er flog also auf sie zu. Und da war noch etwas: eine Ellipse aus Licht. Das Licht pulsierte.
    Irgendwann – nach Sekunden? Nach Jahrtausenden? – kam er der Ellipse so nahe, dass er Strukturen einer Form im Inneren ihres Lichtkörpers entdecken konnte, ein Netz aus unzähligen Linien. Wie wild wuchernde Ranken einer Pflanze sah es aus, oder wie ein Geflecht aus Blutgefäßen, oder wie ein Knäuel aus tausend Tintenfischen. Und an vielen dieser Ranken oder Gefäßen oder Tentakeln hingen platt gedrückte, goldfarbene Kugeln, die aus sich selbst heraus leuchteten und die Matt an Augäpfel erinnerten.
    Er dachte an das goldene Augenpaar, das er in der Grotte hinter den ekstatischen Greisen am Feuer gesehen hatte. Versprühte die Ellipse nicht ein ähnlich goldenes Licht? Und strahlten die Augäpfel in ihrem Inneren nicht ähnlich golden? Matt beobachtete, wie die
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