1836 - Fratze des Unheils
Antwort. Aber er dachte nach, schaute mal Jane Collins an, danach wieder mich, dann senkte er den Blick.
Das gefiel auch Jane Collins nicht. »Wir warten auf eine Antwort, Eric.«
»Ich kenne sie nicht.«
»Das können wir nicht glauben.«
»Es stimmt aber.«
»Sie wissen nicht, zu wem die Fratze gehört?«
»So ist es.«
Jane schaute mich an, und ich gab ihr ein Zeichen, dass sie weiterfragen sollte.
»Woher kommt sie denn?«
Eric Fischer saugte die Luft durch seine Nasenlöcher ein. Und jetzt erhielten wir eine Antwort.
»Aus der Tiefe«, flüsterte er, »ja, sie ist aus der Tiefe gekommen. Sie war dort verborgen, aber dann stieg sie hoch, und ich konnte sie sehen.«
In dieser Umgebung hatte das Wort Tiefe eine ganz besondere Bedeutung.
Nicht weit entfernt lag der Tegernsee, und bei ihm konnte man schon von einer Tiefe sprechen.
Nicht nur ich dachte so, auch Jane Collins verfolgte den gleichen Gedanken. Sie fragte: »Hat die Tiefe etwas mit dem See zu tun? Haben Sie das gemeint?«
»Ja.«
»Und weiter?«
Er zeigte sich wieder stur. Er schüttelte den Kopf. »Ich will jetzt gehen.«
»Und dann?«, fragte ich.
»Ich will weg.«
»Wohin? Wollen Sie die Fratze anschauen?«
»Nein.«
»Aber …?«
»Das geht Sie nichts an!«, schrie er und wollte aufstehen.
Dagegen hatte ich etwas. Ich war mit ihm noch nicht fertig, und das sollte er auch spüren. Mit körperlicher Gewalt wollte ich ihn nicht stoppen. Ich nahm wieder das Kreuz, das ich in seine Blickrichtung hielt.
Er stoppte.
Für die Dauer einiger Sekunden starrte er das Kreuz offen an, was mich wunderte. Ich hatte damit gerechnet, dass er schreien oder umfallen würde, aber das trat nicht ein. Er hielt sich auf den Beinen, und er nahm den Blick nicht zur Seite.
Und plötzlich grinste er.
Dieses Grinsen fiel Jane und mir auf, keine Frage. Dann aber passierte etwas, was wir mit den Begriffen unheimlich und unerklärlich umschreiben konnten.
Sein Gesicht veränderte sich!
***
Es fing mit der linken Gesichtshälfte an. Zuerst verschwand die Haut oder deren Farbe. Was wir jetzt sahen, das war eine bleiche Knochenmasse. Ob sie auch so hart war, wussten wir nicht. Das war auch nicht zu erkennen, aber diese Veränderung zog sich von der Stirn bis zum Kinn hin, und auch der Mund blieb nicht davon verschont. Auf einer Hälfte zeigte er sich verändert. Da waren die Lippen ebenso verschwunden wie das Zahnfleisch. Es gab nur noch die blanken Knochen, ebenso wie die Hälfte der Nase knochig war.
Nur das Auge nicht. Es war normal geblieben, aber es hatte eine andere Farbe bekommen. Die Pupille wirkte wie ein schwarzer Öltropfen, der dort hineingefallen war, und man konnte auch von dem berühmten bösen Blick sprechen.
Und dann gab es noch die rechte Gesichtshälfte. Auch sie hatte sich verändert, sah aber trotzdem noch normal aus. Bei ihr hatte sich nur die Farbe verändert. Die Haut wirkte jetzt dunkler, hatte einen Stich ins Violette angenommen.
Und das Auge?
Ja, es hatte sich dem anderen angeglichen. Es war auch tiefschwarz geworden, aber die Hälfte des Mundes war normal und menschlich geblieben.
Ein Wahnsinn war das. Da hatte sich das Gesicht praktisch in vier Teile zerlegt. Jeder Teil sah anders aus, auch die beiden auf der rechten Hälfte, wenn man genauer hinschaute. Da hatte es zwar den Wechsel der Farben gegeben, aber das obere Viertel sah heller aus und zeigte nur ein paar Reste der violetten Farbe.
Hier hatte sich etwas Dämonisches freie Bahn verschafft, und ich fragte mich, wie man mit einem derartigen Fratzengesicht überhaupt leben konnte. So etwas war nur möglich, wenn schwarze Magie dahintersteckte.
Bisher hatte uns Eric Fischer noch nicht angegriffen. Das tat er auch jetzt nicht. Er wartete, er lauerte, und wir taten das Gleiche.
Jane Collins fand als Erste die Sprache wieder. Sie gab zuvor einen Stöhnlaut ab und sagte dann: »Das kriege ich nicht in die Reihe, John. Was ist das?«
»Keine Ahnung.«
»Wir müssen mit einem Dämon rechnen – oder?«
»Im Hintergrund.«
»Hast du da eine Ahnung?«
»Nein. Wir können uns nur darauf verlassen, dass er negativ ist. Der Dämon meine ich. Oder die Kraft, die den Mann verändert hat.«
Er hatte ja fliehen wollen. Oder einfach nur verschwinden, doch damit ließ er sich jetzt Zeit. Vielleicht wusste er auch nicht, wohin er laufen sollte.
Jane wandte sich an mich. »Was machen wir?«
»Abwarten.«
»Du bist gut.«
»Ja, hast du einen besseren Vorschlag?«
»Wir
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