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1808 - Die Vorhölle

1808 - Die Vorhölle

Titel: 1808 - Die Vorhölle
Autoren: Jason Dark
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ablenken, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Er war glatt und völlig haarlos. Seine Augen konnte man als recht klein ansehen, mit dunklen Pupillen. Sie lagen in einer Umgebung, die wie in den Kopf hineingedrückt worden war. Als wären sie der Mittelpunkt von kleinen leeren Tellern. Und es war auch noch eine Nase vorhanden. Kaum menschlich. Dafür war sie zu spitz. Die hätte auch zu einem Vogel passen können.
    Unter der Nase befand sich der Mund. Das war am schlimmsten, eine Öffnung, die jetzt allerdings verstopft war, weil das Wesen dabei war, etwas zu fressen.
    Wir standen zu weit weg, um erkennen zu können, was sich das Wesen in den Mund stopfte.
    Es konnte ein dicker Fisch sein, aber ein Fisch hatte keine Beine, die zappelten.
    »Der frisst eine Ratte«, flüsterte Harry.
    »Das kann sein.«
    »Ist ja grauenhaft.«
    Ich hob nur die Schultern. Bei diesen dämonischen Wesen wunderte ich mich über nichts mehr. Es gab nichts, was es nicht gibt. Man konnte noch so oft denken, dass man alles gesehen hatte, schon wurde man wieder überrascht.
    So wie jetzt.
    Das Wesen hatte zwei Arme. Dazu gehörten auch Hände, die aus den Ärmeln schauten. Selbst bei diesem Licht sahen wir die recht langen Finger, die es nun gebrauchte, um sich seine Beute ganz ins Maul zu stopfen. Es drückte die zappelnde Ratte oder was immer es für ein Tier war, in seinen Rachen hinein. Man sah die Haut am Hals zucken. Das passierte immer dann, wenn es wieder einen Teil seiner Beute in das Maul schob.
    Noch einmal drückte das Wesen nach, dann war das Tier verschwunden. Es schloss sein Maul und schluckte. Wir sahen es an den entsprechenden Bewegungen. Der Fresser legte noch seinen Kopf in den Nacken und schluckte auch den Rest.
    Neben mir stöhnte Harry Stahl auf. »Verdammt, John, wer ist das?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hast du nie davon gehört?«
    Ich musste lachen. »Ja, Harry, ob du es glaubst oder nicht. Ich habe so ein Wesen noch nie zuvor gesehen.«
    »Ich auch nicht. Aber hast du denn keinen Verdacht?«
    »Nein.«
    Harry stieß hart die Luft aus. Die gesamte Szene wirkte irgendwie unwirklich. Auch unheimlich und grauenvoll. Es ging kein Geruch von dieser Gestalt aus. Ich hatte schon daran gedacht, es mit einem Ghoul zu tun zu haben, aber da fehlte eben der typische Gestank, den ein solcher Dämon absonderte. Der Geruch nach Verwesung, nach alten Leichen, nach Tod eben.
    Er stand inmitten der Knochen und kam sich vor wie ein König, denn er drehte sich um die eigene Achse, um sich bewundern zu lassen.
    »Jetzt bin ich gespannt!«, sagte Harry leise.
    »Ich auch.«
    Die Drehung war beendet, und der Widerliche hatte sich wieder gefangen. Er suchte nach etwas. Er drehte dabei den mächtigen Schädel mit dem langen Maul und dieser bläulich schimmernden Vogelnase, aber er schien sich nicht entschließen zu können. Auch nicht für oder gegen uns, denn er hatte uns gesehen. Und nicht zur Kenntnis genommen.
    Das konnte eigentlich nicht sein. Zwar war ich nicht beleidigt, dass so etwas passiert war, aber warum wollte das Untier nichts von mir? Hing das mit meinem Kreuz zusammen? War es gespürt worden, als ich an der Tür zur Vorhölle gestanden hatte?
    Da kam so einiges in Betracht, was ich nicht so recht nachvollziehen konnte. Vieles stand offen, und ich war gespannt, wie es weiterging.
    Es tat sich nichts.
    »Was sollen wir tun, John?«
    »Ich denke noch nach.«
    »Wie wär’s mit einem Angriff? Wir pumpen seinen Körper mit Kugeln voll, die wird er wohl nicht schlucken und dann vergehen. Dann haben wir ihn doch.«
    »Die Idee ist nicht schlecht. Aber ich will mehr wissen, was dieses Wesen angeht.«
    »Willst du es fragen?«
    »Ja.«
    Harry stöhnte auf. »Mein lieber Mann, da hast du dir was vorgenommen.«
    »Klar.«
    »Und wann wirst du es tun?«
    Ich schüttete den Kopf. »Wann wohl?«
    Harry riss die Augen weit auf. »Jetzt?«
    »Ja, die Gelegenheit ist günstig.«
    »Mann, der macht dich fertig.«
    »So leicht geht das nicht. Das kannst du mir glauben.«
    »Tu, was du für richtig hältst.«
    »Das mache ich auch. Und zwar jetzt.«
    Harry Strahl sagte nichts mehr. Auch ich hielt meinen Mund, denn mir war alles andere als wohl in meiner Haut …
    ***
    Sie waren weiter durch den Wald gegangen. Larissa an der Spitze, und es hatte so ausgesehen, als würden sie irgendwie ohne Ziel laufen.
    Das stimmte nicht. Larissa wusste sehr wohl, was sie tat. Sie spürte so etwas wie eine Botschaft, die ihren Kopf erreichte. Es war nichts
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