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1756 - Das Grauen hieß Elvira

1756 - Das Grauen hieß Elvira

Titel: 1756 - Das Grauen hieß Elvira
Autoren: Jason Dark
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es gibt auch Frauen, die nicht ins Glas spucken. Und gerade an Festtagen kann es ausufern.«
    »Deshalb sind wir ja auch zu zweit.«
    »Du sagst es.«
    Rita Cromwell lenkte den Wagen in eine düstere Gegend. Sie war dunkel, obwohl Laternen ihren Schein abgaben, aber die grauen Mauern schienen diese Helligkeit zu schlucken, sodass die Schatten überwogen.
    Sie rollten in eine Straße hinein, die als Sackgasse endete. Eine Mauer bildete den Abschluss. Dahinter ragten einige Bauten hoch, in denen aber keine Menschen lebten. Es waren Lagerhäuser. Das wussten die beiden Frauen. Sie würden die Gegend auch so schnell wie möglich wieder verlassen.
    Rita hielt den Van an. Sie nickte und sagte mit leiser Stimme: »Okay, bringen wir es hinter uns.«
    »Ja. Aber ich möchte noch etwas wissen.«
    »Bitte.«
    »Wenn diese Gegend so schlimm ist, warum lassen wir sie nicht einfach aus?«
    »Das geht nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich nicht darüber zu bestimmen habe, wer hier Geschenke bekommt und wer nicht.«
    »Stimmt. Das sind andere Leute.«
    »Leider.« Sie stieß Elvira an. »So, jetzt komm, dann haben wir es hinter uns.«
    Beide Frauen stiegen aus. Der Wind war eingeschlafen. Es roch nach Regen, aber auch nach altem Mauerwerk. Es gab hier Häuser, die dicht nebeneinander standen. Vier Stockwerke waren sie hoch. Zwischen ihnen war Rasen gepflanzt worden, aber davon war nicht viel zu sehen.
    Die beiden Frauen hatten einen Vorteil. Sie mussten nur in ein Haus. Bestimmt lebten auch in den anderen Häusern arme Menschen, aber die waren namentlich bei den Behörden nicht bekannt.
    Und so gingen die Weihnachtsengel mit ihren Paketen auf das eine Haus zu. Sie schauten an der Fassade hoch. Die beiden Fenster waren erleuchtet, kein Wunder um diese noch recht frühe Zeit.
    »Kennst du die Namen, Rita?«
    »Ja.«
    »Und wo fangen wir an?«
    »Da muss ich mal schauen.« Rita leuchtete mit ihrer Minilampe das Klingelschild ab und hatte schnell den ersten Namen gefunden. Es war eine Familie mit drei Kindern, die ein paar Pakete bekommen sollte.
    Dort war auch jemand zu Hause. Die Tür wurde aufgedrückt, und wenig später standen die beiden Weihnachtsengel vor der offenen Wohnungstür.
    Eine Frau mit dunklen Haaren hatte geöffnet. Ihr Gesicht entspannte sich, als sie sah, wer sie da besuchte.
    »He, seid ihr die Weihnachtsfrauen?«
    »So ähnlich«, sagte Rita. »Wir sind die Engel.«
    »Das ist aber toll.« Die Frau drehte den Kopf und rief die Namen ihrer drei Kinder, die plötzlich erschienen und schier aus dem Häuschen waren, als sie die Pakete sahen.
    In die Augen ihrer Mutter traten Tränen. Sie wollte sich überschwänglich bedanken, aber da winkten vier Hände ab. Auf keinen Fall wollten die beiden Dank. Alles sollte normal bleiben. Außerdem mussten sie noch weiter.
    Rita atmete auf, nachdem die Tür wieder zugefallen war. »Zum Glück war der Mann nicht da.«
    »Kennst du ihn?«
    »Und ob ich den kenne. Er hat oft genug im Knast gesessen.«
    »Manche sollten besser nicht mehr leben«, sagte Elvira.
    »Da stimme ich dir zu. Man sollte sie sich wirklich der Reihe nach vornehmen.«
    »He, willst du das tun?«
    »Ich bin zu alt.«
    »Aber ich, wie?«
    Rita Cromwell schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das war nur so ein Gedanke. Aber wenn man so viel Elend gesehen hat wie ich, der muss einfach so denken.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Und jetzt können wir hier die nächsten Pakete abgeben.«
    Sie hatten die oberste Etage erreicht und schauten sich in einem schmutzigen Flur um. Die Wände waren mit obszönen Sprüchen über die hier wohnenden Menschen bedeckt oder auch nur so beschmiert. Mehrere Türen gab es hier. Ein kleiner Flur führte zu weiteren Zimmern, aber da mussten sie nicht hin.
    Es war eine Familie, bei der Rita klingelte. Hinter der Tür waren schon Geräusche zu hören gewesen. Allerdings undefinierbar. Beide Frauen schauten sich mit einem besorgten Blick an.
    Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen. So heftig, dass die beiden Besucherinnen unwillkürlich einen Schritt zurückgingen.
    Vor ihnen stand ein Mann. Bei ihm trafen alle Vorurteile zusammen, die man gegen gewisse Menschen haben konnte. Der Typ roch nach Alkohol. Er trug ein Unterhemd und eine alte Jogginghose.
    »He, was wollt ihr?« Er lachte und schüttelte den Kopf. »Wollt ihr was bringen?«
    »Ja...«
    »Dann her damit.«
    »Nein, das sind Geschenke für Ihre Kinder, Mister.«
    Er fing an zu kichern. »Für die Taliban? Scheiße, die liegen schon
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