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1661

1661

Titel: 1661
Autoren: Denis Lépée
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wurde mitten auf dem Marmortisch ein Mosaik sichtbar, das ebenfalls eine vergoldete Sonne zeigte, die von vierzehn miteinander verbundenen Säulen umgeben war.
    »Nachdem unser Bruder aus Paris jetzt endlich eingetroffen ist, schlage ich vor, dass wir unverzüglich zum Thema kommen. Sicherlich fragt sich der eine oder andere von euch, warum ich diese außerordentliche Versammlung einberufen habe. Würdet Ihr es den anderen bitte erklären, François?«, wandte er sich an d’Orbay.
    »Unseren Spitzeln zufolge ist Mazarins Gesundheitszustand höchst bedenklich«, ergriff dieser das Wort. »Dieses Mal geht es dem Kardinal wirklich schlecht. Die Astrologen mögen Frankreichs Erstem Minister eine noch so baldige Genesung prophezeien, es geht trotzdem mit ihm zu Ende. Hinter den Kulissen scharen sich schon die Ratten, und in Paris ergeht man sich in Vermutungen darüber, wer seine Nachfolge antreten wird. Nach fast zwanzig Jahren unumschränkter Herrschaft entschließt sich Seine Eminenz endlich, das Zeitliche zu segnen. Und Colbert, der sich ihm mit Leib und Seele verschrieben hat, setzt derweil heimlich alles daran, die Herkunft des immensen Vermögens zu verschleiern, das der alte Schurke in all den Jahren angehäuft hat, und es so aussehen zu lassen, als sei es ehrlich erworben   …« D’Orbay schüttelte ärgerlich den Kopf und sah seine Zuhörer danach eindringlich an. »Doch Colberts Machenschaften sind für uns jetzt nicht von Belang. Wichtig ist vielmehr das, was unserer Sache förderlich sein kann: die Jugend des Königs und das Erschlaffen von Mazarins eiserner Hand. Es bietet sich uns eine Gelegenheit, wie sie sich vielleicht so schnell nicht wieder ergeben wird. Wir dürfen sie nicht ungenutzt verstreichen lassen!«
    D’Orbay hielt einen Augenblick inne. Geistesabwesend glitt sein Blick über das dunkle Holz der Wandvertäfelung, bis es an einem der riesigen Spiegel hängenblieb. Er räusperte sich, als ob die Konfrontation mit seinem Spiegelbild ihn jählings aus seinen Gedanken gerissen hätte.
    »Sicher wäre es uns allen lieber gewesen, wenn wir uns mehr Zeit hätten lassen können. Doch ich vertraue auf den Erfolg unserer Mission. Wir müssen nur aufpassen, dass sichdie Gemüter nicht zu sehr erhitzen. Wie wir am Scheitern der englischen Republik nach Cromwells Tod und der Restauration der Stuarts gesehen haben, besteht die Gefahr überschwänglicher Begeisterung. Karl II. wird die Hinrichtung seines Vaters sicher rächen wollen und die Verantwortlichen verfolgen. Unsere Brüder in England glaubten, unsere Sache vorantreiben zu können, haben damit jedoch Schiffbruch erlitten. Aber das ist jetzt unerheblich. Wichtig ist einzig und allein, dass deren bedauerliche Niederlage nicht unseren Plan in Frankreich gefährdet.«
    Einer der Anwesenden richtete sich in seinem Sessel auf und hob die Hand. Mit einem Kopfnicken erteilte ihm Giacomo Del Sarto das Wort.
    »Was ist dran an den Gerüchten, dass es unter den Anhängern der Fronde wieder gärt? Bereitet das einstige Bündnis des französischen Hochadels und der hohen Richterschaft der Parlements einen erneuten Aufstand vor, um ihre Rechte wiederzuerlangen?«
    D’Orbay verzog das Gesicht zu einer skeptischen Grimasse.
    »Das glaube ich nicht. Was meint Ihr, worüber sich die Pariser gerade erregen? In diesem Augenblick, da das Königreich Frankreich vor einem Machtwechsel steht? Na   …? Über eine Komödie, meine Freunde! Im Volk rumort es, weil Monsieur Molière im Theatersaal des Palais-Royal ein neues Stück aufführen will, das sein Genie unter Beweis stellen soll. In den Straßen von Paris lässt man sich darüber aus, welcher Erfolg ihm damit beschieden sein wird, und versucht, die Befürworter und Gegner dieses Schmierenkomödianten zu zählen, während Frankreichs leitender Minister im Sterben liegt   … Doch was die Fronde betrifft: Deren Absichten kann ich erkunden. Ich werde meinen Aufenthalt in Rom dazu nutzen, einen ihrer Anführer aufzusuchen, den Erzbischof von Paris, der, wie ihr wisst, hier im Exil lebt: Kardinal Jean-FrançoisPaul de Gondi. Es wird mich nicht viel Mühe kosten, von ihm empfangen zu werden.«
    Ein junger Mann mit starkem spanischen Akzent, der bisher geschwiegen hatte, meldete sich nun zu Wort.
    »Muss man nicht trotzdem fürchten, dass der junge französische König weiter reichende persönliche Ambitionen hat, ganz nach dem Vorbild seines englischen Cousins?«
    D’Orbay erhob sich seufzend. Das Parkett knarrte
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