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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit
Autoren: Mary Gentle
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bei der Überfahrt gehabt hatten als wir, waren sie bereits eine Woche zuvor wieder in Richtung der Provinz Nagasaki in Nihon aufgebrochen. Von einem jungen Mann oder einer jungen Frau, die in die gleiche Richtung unterwegs war, hörte ich jedoch nichts.
    Mir war keine andere Wahl geblieben, als Fludd zu folgen. Das Beste, was ich zu diesem Zweck auftreiben konnte, war ein Schiff mit Kurs auf Madagaskar. Wir hatten nicht viel Glück mit unserer Schiffswahl, dem Wind, den Gezeiten und den Stürmen. Wir fuhren weit auf ein unbekanntes Meer hinaus, und falls Mademoiselle Dariole uns tatsächlich folgte, hatte sie Robert Fludd vielleicht schon eingeholt. Womöglich lag er bereits tot in der heißen Erde von Goa oder Macao, und wir würden es nie erfahren. Ein großes Kompliment muss ich dabei Gabriel Santon aussprechen, der die Strapazen der Reise ohne Murren ertrug. Meine Ängste erschütterten ihn genauso wenig wie die Enge unserer Kabinen und das gewaltige Meer.
    Dabei dachte ich ständig, dass Robert Fludd seine Schiffe mit mathematischem Bedacht wählte, sodass wir sicher sein konnten, dass sie nicht sanken.
    »Er hat vielleicht nicht genau ausgerechnet, was alles geschehen könnte, wenn König James nicht stirbt«, bemerkte Gabriel Santon, als ich ihm von meinen Gedanken berichtete. »Vermutlich hatte er einfach nicht die Zeit dazu. Aber ich möchte wetten, dass er genau das getan hat, was jeder vernünftige Mensch in seiner Situation getan hätte: sich ein Schlupfloch offen zu halten für den Fall, dass es schiefgeht.«
    Das hielt ich für eine logische Annahme. Aber wie auch immer … Wir fanden keine Spur von ihm. Die Monate vergingen: Herbst, Winter. Wir berührten die Länder der Araber und jene der Hindi. Als wir schließlich zwischen Tausenden von winzigen Inseln hindurchfuhren, die im Meer vor der Provinz Nagasaki liegen, war es bereits Frühling. Und im Hafen von Nagasaki selbst, so weltoffen er mit seinen Holländern, Portugiesen und Spaniern auch sein mochte, hörte ich ebenfalls nichts von einem Mann, auf den Robert Fludds Beschreibung passte, oder von einem Samurai mit Namen Tanaka Saburo. Ich ging sogar so weit, die Küste hinauf nach Hirado zu fahren, doch die niederländischen und japanischen Behörden dort konnten mir ebenfalls nicht weiterhelfen.
    »Vielleicht ist unsere Reise besser verlaufen als ihre«, schlug Gabriel vorsichtig als Erklärung vor. »Vielleicht sind wir schneller vorangekommen. Unmöglich ist das nicht, Raoul.«
    Ich konnte mir über die Ereignisse in Paris, auf der anderen Seite der Welt, den Kopf zerbrechen oder mir beim Gedanken an ein gewisses Mannweib das Herz zerreißen lassen – oder ich konnte mich hier in Geduld üben, entschied ich. Die Theorie war gut. Doch selbst nachdem wir uns eine Unterkunft den Hügel hinauf im niederländischen Viertel gesucht hatten, ging mit Gabriel Santon jeden zweiten Tag sein Temperament durch, weil ich mich einfach nicht aus meiner Niedergeschlagenheit reißen konnte.
    »Ich blase kein Trübsal«, erklärte ich mit einem gewissen Maß an Würde.
    Nun, während die Männer Befehle bellten und ich meine Augen beschattete, sah ich, wie sich ein kleineres Boot von der Karracke löste.
    »Offensichtlich zeigen die Hafenbehörden sich kooperativ.« Wahrscheinlich waren Bestechungsgelder geflossen. Wasser blitzte auf, als die Riemen gehoben wurden. Mehrere Männer saßen in dem Boot: Ich konnte ihre Köpfe und Schultern sehen. Ein wenig beklommen verschränkte ich die Arme vor der Brust. Das war nicht das erste Schiff aus Macao, das zu sehen, ich hierher gekommen war.
    Als die ersten Männer aus dem Boot ans Ufer stiegen, drehte ich mich um und blickte über die Bucht von Nagasaki hinweg zu den Hügeln hinter den Häusern, damit man mein Gesicht nicht sehen konnte.
    Gut ein Dutzend Männer in schwarzen Gewändern gingen an mir vorbei, zwei trugen Grau. Ihre Gewänder wirkten seltsam verglichen mit dem bleichen Leinen, das Saburos Volk verwendete. Kirishitan nannte man sie, wie ich hörte. Es waren sowohl Jesuiten als auch Dominikaner.
    Sie zogen in einer Prozession zu einer Kapelle, und ich entspannte mich wieder ein wenig.
    »Kopf hoch.« Gabriel neben mir blickte ihnen ebenfalls hinterher. »Wenigstens werden die Jesuiten uns hier nicht hängen lassen. Wie ich gehört habe, schlägt man in Japan Verbrecher ans Kreuz …«
    Ich warf ihm einen Blick zu. »Bitte, hilf meinem Gedächtnis auf die Sprünge: Warum habe ich dich noch einmal
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