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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Autoren: Karl May
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daß ich sie hätte annehmen können. Ich konnte mir denken, daß das Sümmchen, welches ich ihm gegeben hatte, für ihn denn doch nicht ohne Wert war. Ebenso sah ich, daß er das Fläschchen nicht wieder nehmen werde. Darum wies ich das Geld zurück, indem ich in bestimmtem Ton ihm erklärte:
    „Wir beide wollen uns beschenken, ohne reich zu sein; darum ist es besser, wir behalten, was wir voneinander bekommen haben. Wenn ich auch mein Vaterland glücklich erreiche, werde ich den schönen Frauen, die sich an dem Wohlgeruch deines Öles erfreuen, von dem Rosengärtner Jafiz erzählen, welcher so freundlich gegen mich gewesen ist.“
    Dies schien ihn zu erfreuen. Sein Auge begann zu glänzen. Er nickte mir befriedigt zu und fragte:
    „Sind die Frauen deines Landes Freundinnen der Wohlgerüche, Effendi?“
    „Ja; sie lieben die Blumen, die ihre Schwestern sind.“
    „Und hast du lange Zeit zu reiten, ehe du zu ihnen kommst?“
    „Vielleicht noch wochenlang. Und dann, wenn ich vom Pferd steige, habe ich noch tagelang auf dem Schiff und auf der Eisenbahn zu fahren.“
    „Das ist weit, sehr weit. Kommst du da vielleicht in gefährlichen Gegenden zu bösen Leuten?“
    „Das ist sehr möglich. Ich muß durch das Land derjenigen, die in die Berge gegangen sind.“
    Er blickte erst sinnend vor sich nieder; dann musterte er mich aufmerksam und endlich sagte er:
    „Effendi, des Menschen Angesicht ist wie die Oberfläche des Wassers. Das eine Wasser ist rein, hell und klar, und seinem leuchtenden Spiegel vertraut sich der Badende gern an. Das andere Wasser aber ist finster, dick und schmutzig; wer es erblickt, der ahnt Gefahr und geht eiligst vorüber. Das erstere gleich dem Antlitz des guten und das zweite demjenigen des bösen Menschen, des Bösewichtes. Deine Seele ist freundlich und hell; dein Auge ist klar, und in deinem Herzen lauert weder Gefahr noch Verrat. Ich möchte dir etwas sagen, was ich sehr selten einem Bekannten mitgeteilt habe. Und du bist doch ein Fremder.“
    Diese Worte mußten mich erfreuen, obgleich ich keine Ahnung von der Natur seiner Mitteilung haben konnte. Ich antwortete:
    „Deine Worte sind warm und sonnig wie Strahlen, welche auf das Wasser fallen. Sprich weiter!“
    „In welcher Richtung wirst du von Mastanly aus reiten?“
    „Nach Menlik zunächst. Dort aber wird es sich entscheiden, welche Richtung ich einschlage. Vielleicht muß ich nach Uskub und von da hinauf in die Berge von Kostendil.“
    „Wullack – wehe dir!“ entfuhr es ihm.
    „Hältst du diesen Weg für schlimm?“
    „Für sehr schlimm. Bist du in Kostendil und willst an das Meer, so mußt du über den Schar-Dagh nach Perserin, und da haben sich die Skipetars und Flüchtlinge versteckt. Sie sind arm; sie haben nur ihre Waffen; sie müssen vom Raub leben. Sie werden dir alles, alles nehmen, was du hast, vielleicht sogar das Leben!“
    „Ich werde mich zu verteidigen wissen!“
    Er schüttelte leise den Kopf und sagte:
    „Bir gendsch kan war on bin küstachlück – ein junges Blut hat zehntausend Mut! Und du bist noch jung. Du hast zwar viele Waffen bei dir, aber was helfen sie gegen zehn oder zwanzig oder gar fünfzig Feinde?“
    „Mein Pferd ist schnell!“
    „Ich bin kein Kenner, doch sehe ich, daß dein Rappe schön ist; aber diejenigen, welche in die Berge gehen, besitzen auch nur schnelle Tiere. Sie werden dich leicht einholen.“
    „Mein Hengst ist von reinem Blut; er heißt Wind und läuft wie der Wind.“
    „So werden dich doch ihre Kugeln treffen, denn die Kugel fliegt schneller als das flinkeste Pferd. Die Skipetars sind Pferdekenner; sie werden sofort sehen, daß dein Pferd den ihrigen überlegen ist, und dich also nicht offen erwarten, sondern aus dem Hinterhalt auf dich schießen. Wie willst du dich vor ihnen bewahren?“
    „Durch Vorsicht.“
    „Auch diese wird dich nicht retten, denn das Sprichwort sagt: Sakinma dir kawl kabahatun (Vorsicht ist die Bedingung des Verbrechens). Du bist ein ehrlicher Mann; sie werden zehnmal vorsichtiger sein, als du! Erlaube mir, daß ich dich warne!“
    „Steht diese Warnung vielleicht in Beziehung zu dem, was du mir sagen wolltest?“
    „Ja.“
    „So bin ich sehr wißbegierig, es zu erfahren.“
    „Nun, ich will dir anvertrauen, daß es ein Sicherheitspapier gibt, welches die Freunde, Bekannten und Verbündeten der Unheimlichen besitzen.“
    „Woher weißt du das?“
    „Das weiß hier jedermann. Aber nur wenige kennen die Art und Weise, wie es zu erlangen
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