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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
Autoren: Jason Dark
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dessen Ende letztendlich der Tod stand.
    Das wusste er. Daran kam er auch nicht vorbei. Mochte auch seine körperliche Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden sein, sein Geist arbeitete noch normal. Seine Sinne waren vorhanden, und so bekam er alles mit, was sich um ihn herum abspielte. Er konnte hören, sehen und riechen…
    Es war vor allen Dingen der Geruch des Holzbodens, der ihm in die Nase stieg. Es roch nicht nur nach Holz, sondern mehr nach dem Wachs, mit dem er eingerieben worden war. Als Gestank wollte er ihn nicht eben bezeichnen, aber daran gewöhnen würde er sich auch nicht können, obwohl er das musste, denn aus eigener Kraft schaffte er es nicht mehr, sich zu befreien. Er war fertig. Es war aus mit ihm. In seinem Körper steckte eine Kälte, die sich ausbreitete. Und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Aber er bekam dieses Kribbeln mit, das der Kälte vorausging. Es begann an den Handgelenken, wobei er seine Hände schon nicht mehr spürte, und es setzte sich nach oben hin fort, immer höher in seine Arme hinein, bis zu den Schultern.
    Das Gleiche passierte an den Beinen. Auch hier kroch die Kälte bereits den Knien entgegen, und so konnte er sich leicht ausrechnen, wann sie auch den übrigen Körper erfasst hatte und dafür sorgte, dass seine Organe ihre Funktion einstellten.
    Lunge und Herz! Die beiden wichtigsten überhaupt. Wenn das passierte, würde er elendig verrecken und einen Tod haben, wie man ihn sich grausamer nicht vorstellen konnte.
    Beim Fallen war er auf den Bauch geprallt. Hatte sich zusätzlich noch die Stirn gestoßen, aber das waren Nichtigkeiten im Vergleich zu dem, was nun mit ihm passierte.
    Er schrie nicht. Er jammerte auch nicht. Selbst sein Atem ging nicht schwerer. Er dachte auch nicht an sich selbst, sondern nur an seine tote Verlobte.
    War auch sie so gestorben? Hatte auch sie dieses Leiden bis zum bitteren Ende miterleben müssen?
    Er wünschte es ihr nicht, konnte aber auch nichts mehr rückgängig machen. Die Grausamkeit der Gegenwart wollte auch bei ihm kein Ende nehmen, und so breitete sich die Kälte des Todes immer stärker in ihm aus wie ein Mantel, dessen feiner Stoff aus einem eiskalten Nebel bestand, der das Mark in seinen Knochen einfrieren ließ.
    Den Kopf konnte er bewegen. Die Schultern auch noch. Sogar einen Teil seiner Beine. Das brachte ihn einer Flucht jedoch nicht näher. Um dies in die Wege zu leiten, musste er seine Füße benutzen, und das war leider so gut wie unmöglich.
    Nichts würde er schaffen, gar nichts…
    Und so blieb Harry liegen. Schicksalsergeben, den Tod vor Augen. Er rechnete auch nicht damit, dass irgendjemand kam, um ihm zu helfen. Das Hotel war leer. Die Zimmermädchen hatten frei, und der Wirt aus der Schlossschänke würde auch keinen Grund sehen, seinen Platz zu verlassen und zu ihm zu kommen.
    Er war allein, er blieb allein, und er würde allein sterben!
    Allmählich kam ihm das zu Bewusstsein. Es löste ihn von seinen Gedanken an Marietta ab. Sie war den Weg schon vor ihm gegangen. Obwohl er bei der Nachricht selbst gern hätte sterben wollen, sah er das jetzt anders, denn es gab den Überlebenswillen, der in ihm hochstieg und sich auch nicht wieder verdrängen ließ.
    Kämpfen! Ich muss kämpfen!
    Harry versuchte, sich selbst hochzupuschen, auch wenn er sich wie ein großer Wurm vorkam, der im Moment sogar nicht mal kriechen konnte. Er musste eine zu träge Masse überwinden und versuchte es nun, indem er die Schultern bewegte und die Arme anzog.
    So ganz klappte es nicht. Zwar konnte er sich ein Stück weit von seinem Platz nach vorn bewegen, doch es waren nur Zentimeter, und das brachte ihn nicht weiter.
    Es war wahnsinnig anstrengend für ihn, überhaupt etwas voranzukommen. Er hörte sich selbst pfeifend atmen, und er wusste auch, dass seine Chancen sich nicht vergrößerten. Hier steckte er in einer Falle, und eine Person, die schon tot sein musste, hatte dafür gesorgt.
    Nach einem zweiten Versuch brach er wieder zusammen. Er war platt und kam sich vor, als hätte man ihn aus einer großen Höhe zu Boden gestoßen. Mit der rechten Wange gegen den Holzboden gedrückt blieb er auf der Stelle liegen. Durch Nase und Mund zugleich saugte er den Atem ein. Sein Speichel schmeckte nach bitterer Galle, und die Kälte hatte bereits seine Knie erreicht und kroch höher.
    An den Armen spürte er sie schon in Höhe der Ellenbogen, und das Gefühl war dort auch verschwunden. Bis zu den Händen hin waren seine
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