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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
Autoren: Jason Dark
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den Schlosshof hinweg. Die Stille der Nacht hielt alles im Griff.
    Da sie nur das Nachthemd trug, spürte sie den Wind, der durch den Stoff fuhr. Ihr wurde allmählich kühl, und so zog sich die Braut wieder zurück.
    Als sie das Fenster geschlossen hatte, kam sie sich plötzlich wie in einem Gefängnis vor. Offen lassen wollte sie es auch nicht. Nach einem herrlich warmen Tag war eine kühle Nacht gefolgt. Zu kühl für sie. Bei offenem Fenster hätte sie gefroren.
    Noch vor einigen Stunden hatte sie sich auf den folgenden Tag gefreut. Das war nun nicht mehr der Fall. Obwohl es keinen sichtbaren Grund gab, fürchtete sie sich davor. Einen Grund für ihre Angst sah sie nicht, und trotzdem konnte sie nicht dagegen angehen.
    Wieder ging sie auf ihr großes Bett zu. Dabei schaute sie auf die nicht ganz geschlossene Tür, die zum Nebenzimmer führte. Dort befand sich so etwas wie ein Wohnraum. Eingerichtet mit alten Möbeln. Dort war ebenfalls viel Platz, und Marietta hatte ihn genutzt, um ihr prächtiges Hochzeitskleid auszubreiten.
    Es war wirklich ein Prunkstück. Zusammen mit ihrer Mutter hatte sie es ausgesucht. Das heißt, viel hatten sie nicht zu suchen brauchen. Marietta wusste nicht genau, woher ihre Mutter es hatte.
    Da war sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
    »Schau es dir an, Kind. Und dann sag mir, ob es dir gefällt. Aber ich will deine ehrliche Meinung hören.«
    Marietta hatte zu ihrer Mutter immer ein besonderes Verhältnis gehabt. Seit der Pubertät hatten die beiden viele Kämpfe ausgefochten, aber nie das gegenseitige Vertrauen und den Respekt voreinander verloren. Die Mutter hatte sie nie mit harter Hand angefasst.
    Sie hatte immer auf Argumente gesetzt, auch jetzt fragte Marietta als Erwachsene noch immer bei bestimmten Entscheidungen, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde.
    Heute empfand sie es nicht mal als schrecklich. Und auch als sie das Hochzeitskleid gesehen hatte, war sie begeistert gewesen und hatte ihre ehrliche Meinung gesagt.
    »Es ist ein Traum.«
    »Danke, Kind, ich wusste, dass du das sagen würdest.«
    »Du kennst mich, wie?«
    Die Mutter hatte sie in die Arme genommen. »Und wie ich dich kenne. Dieses Kleid gehört dir, nur dir allein, und ich muss dir sagen, dass es eine Geschichte hat.«
    »Welche denn?«
    »Es ist nicht neu. Es ist alt. Ich glaube sogar, dass es sehr alt ist.«
    »Und weiter?«
    »Es wurde schon getragen…«
    Nach dieser Antwort hatte Marietta geschwiegen. Ein gebrauchtes Brautkleid, nein, das war eigentlich unmöglich. Da konnte sie einfach nicht zustimmen. Wie hatte ihre Mutter ihr das nur antun können.
    Sie wollte protestieren, heftig sogar. Dann aber schaute sie noch einmal auf das Kleid. Ihr Widerstand schmolz zusammen wie der Schnee in der Sonne. Von einem Augenblick zum anderen hatte das Kleid sie in seinen Bann gezogen. Sie musste es sich anschauen, sie kam nicht mehr davon los. Als sie dann einen Kommentar abgab, hörte sich dieser ehrfurchtsvoll an.
    »Ja, ich weiß zu schätzen, dass ich dieses Brautkleid tragen darf, Mutter.«
    »Das wusste ich. Und wenn ich sage, dass es einmalig ist, dann habe ich nicht übertrieben.«
    »Wo hast du es gekauft?«
    Ein Zeigefinger legte sich gegen die Lippen. »Das bleibt mein Geheimnis, Kind.«
    »Gut. Aber irgendwann wirst du es mir doch sagen – oder?«
    Da hatte die Frau geheimnisvoll gelächelt und nur mit den Schultern gezuckt. Marietta fragte auch nicht weiter. Sie kannte ihre Mutter. Wenn sie sich mal etwas vorgenommen hatte, blieb sie auch dabei. Da gab es kein Zurück mehr.
    Ihre Erinnerungen verschwammen. Die Vergangenheit zog sich zurück, die Gegenwart hatte sie wieder, und Marietta sah sich noch immer vor dem Bett im Zimmer stehen und auf die Tür schauen.
    Eigentlich hätte sie in den Nachbarraum gehen müssen, um sich das Kleid noch einmal anzuschauen, wo sie schon so intensiv daran gedacht hatte. Seltsamerweise traute sie es sich nicht zu. Sie hatte eine gewisse Scheu davor und blieb weiterhin stehen, obwohl sie auch keinen Grund dafür sah. Es konnte allerdings an ihrer Nervosität liegen, mit der sie nach wie vor ihre Probleme hatte.
    »Du machst dich selbst verrückt«, flüsterte sich Marietta zu. »Du bist viel zu aufgeregt. Du musst cooler sein. Es wird schon alles klappen«, dachte sie. Es ist eine normale Hochzeit, wenn auch in einem ungewöhnlichen Rahmen.
    Marietta nahm sich vor, wieder ins Bett zu steigen, obwohl sie schon hellwach war. Sie wollte sich auch drehen und hatte
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