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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
Autoren: Jason Dark
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äußerlich gleich geblieben war. Aber es war etwas in sie hineingedrungen, das nicht in diese Wirklichkeit gehörte. Etwas Unheimliches. Etwas aus einer anderen Zeit, das überlebt hatte.
    Ihr Brautkleid – ihr Leichenhemd?
    Marietta konnte es nicht fassen. Das gab es nicht. Das war nicht möglich. Es war für sie besorgt worden. Zwar wusste sie, dass es nicht neu war, aber so konnte man doch nicht sprechen.
    »Wer bist du denn?«
    »Corinna…«
    »Aha.« Das sagte sie nur, weil sie mit dem Namen nichts anfangen konnte. Von einer Corinna hatte sie nie zuvor etwas gehört. Doch für sie stand fest, dass die Person nicht gelogen hatte.
    »Wieso hast du…«
    Die Fremde unterbrach sie. »Ist es nicht wunderbar?«, fragte sie leise. »Ist das Kleid nicht einmalig?« Auf der Stelle drehte sie sich herum und hob den Saum und die Schleppe etwas an, um normal tanzen zu können.
    Marietta Harper konnte nicht sprechen. Sie war einfach zum Zuschauen verdammt und sah nur die andere, der das Kleid so gut gefiel und die sich darin sehr wohl fühlte.
    Sie bewegte sich mit fast schon koketten Schritten vor der jungen Braut, die ihre Blicke nicht abwenden konnte. Sie wollte woanders hinschauen, was aber nicht möglich war, denn Corinna tanzte.
    Durch deren Bewegungen wurde sie auch vom Gesicht der Schrecklichen abgelenkt. Sie sah jetzt die Hände, die aus den Ärmelenden des Kleids hervorschauten.
    Hände?
    Nein, das waren sie nicht. So sahen nur alte, verschmutzte und halb verweste Klauen aus. Widerliche Greifer, die möglicherweise von Würmern und Käfern angefressen worden waren.
    Corinna drehte sich weiter. Sie liebte diesen Tanz. Grotesk und komisch sah er aus. Das fand auch Marietta, die endlich wieder denken konnte. Ihr kamen Vergleiche in den Sinn, und so dachte sie daran, dass eine Tote ihr Grab verlassen hatte, um einen wahren Leichentanz aufzuführen.
    Sie summte ihre schrillen Lieder. Manchmal lösten sich auch Schreie aus ihrem Mund, der so gut wie keine Lippen mehr besaß.
    Ein Krächzen, halb erstickt, das Zucken der Beine und Arme, das Aufstampfen der Füße, das sich manchmal anhörte, als würden bei der Gestalt die Knochen brechen.
    Das alles kam zusammen. Der Leichentanz war da. Die Tote frohlockte. Diejenige, die schon lange gestorben war und das Hochzeitskleid als Erste überhaupt getragen hatte.
    Auch das war für Marietta Harper neu. Sie wusste, dass sie ein gebrauchtes und auch ein besonderes Kleid erworben hatte, dass aber eine derartige Geschichte dahinter steckte, daran hätte sie nie im Leben gedacht. Doch es war so. Sie war zurückgekehrt, sie hatte die Zeichen gesetzt, und wieder konnte sich die junge Frau nur über sich selbst wundern.
    Zurückgekehrt war das Geschöpf!
    Aus dem Grab, aus der Gruft, aus dem Tod!
    Erst jetzt wurde ihr klar, was das bedeutete. Bisher hatte sie die Dinge hingenommen und nicht hinterfragt. Das sah sie jetzt anders.
    Da hatte sie das Gefühl, dass sich ihr Welten eröffneten, von denen sie bisher nicht zu träumen gewagt hatte. Furchtbare Schlünde hatten sich aufgetan, die ihr Blicke in das tiefe Grauen ermöglichten.
    Ein Schüttelfrost aus Angst erwischte sie. Plötzlich gaben die Knie nach. Es war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie nicht mehr konnte. Sie sah die tanzende Gestalt vor sich, die zu einem rasenden Wirbel wurde, und sie bekam auch wieder die Kälte zu spüren.
    Es sah schon zeitlupenhaft aus, wie sie zusammenbrach und dabei zur Seite gedrückt wurde. Es war ihr Glück, denn so fiel sie nicht direkt zu Boden, sondern prallte gegen den Türrahmen, der dafür sorgte, dass sich der Fall verlangsamte.
    Sie sackte noch in die Knie, bevor sie ohnmächtig zu Boden fiel…
    ***
    Ich war noch immer in meinen Gedanken versunken, als ich das Yard Building betrat. Den Gruß eines Kollegen bekam ich kaum mit. Mir wollte einfach diese Schneiderin nicht aus dem Kopf. Je länger ich über sie und über das Kleid nachdachte, desto mehr festigte sich in mir der Eindruck, für irgendeine Sache benutzt zu werden.
    Das war kein normaler Fall wie sonst. Aber welcher Fall war schon bei uns normal? Auch nicht der, in dem Justine Cavallo oder der Schwarze Tod mitmischten.
    Ich fuhr zu unserem Büro hoch. Auf dem Gang traf ich Sir James, der sich soeben von einem Menschen verabschiedete, der eine Uniform mit hohem Rangabzeichen trug.
    »Ah, John, Sie sind wieder zurück.«
    »Wie Sie sehen, Sir.«
    Der Superintendent nahm die Brille ab und putzte sie. Währenddessen sprach er mit
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